Dein Gehirn auf Diät


Von Reis, Pute, Brokkoli, einem Orgasmusknopf und Dingen, die wir von Mäusen über Diäten lernen können.

Im Bild: Der Teile deines Gehirns, der total auf Ben & Jerrys steht. Gestatten, deine Basalganglien. 

Sind Bodybuilder blöd oder sind ihre Kritiker ignorant?

Reis, Pute und Brokkoli. Der magische Dreiklang des Bodybuilding Klischees. Während viele Bodybuilder auf  Vorkochen und immergleiche Mahlzeiten setzen, argumentieren andere, dass dies gar nicht nötig sei.  Der Streit endet meist darin, dass die einen argumentieren, man solle sich doch mal Wettkampfbodybuilder ansehen und die anderen, dass sie keine seien. Die Frage, die sich stellt, ist inwiefern das Selbstquälen von Athleten Sinn macht? Ist es überhaupt nötig oder gar nützlich? Oder zelebrieren hier einige Athleten nur einen masochistischen Lifestyle? Die “Oldschool ”Praktiker werfen den Kritikern oft vor, selbst nur Theoretiker zu sein, die erstmal eine Wettkampfdiät erleben sollten. Zugegeben eine Wettkampfdiät ist auch nochmal etwas anders als eine Diät für Körperfettwerte, die Otto und Anna als ansehnlich erachten würden. Die Gegenseite argumentiert wiederum, dass die Erfahrung der Athleten aufgrund ihres Fallstudiencharakters komplett unnütz sei.

Ich halte beide Standpunkte für maßlos arrogant, da sie beide von einer undifferenzierten Betrachtung der Realitäten menschlicher Ernährung herrührt. Doch für mich ist interessant, dass eine eher geschmacklose, simple und aus wenigen Zutaten bestehende Ernährung, insbesondere in Diäten, einen Vorteil haben könnte. Wenn wir anstatt nur auf reine Physiologie zu achten, auch Ernährungspsychologie in Betracht ziehen, baut sich ein deutlich komplexeres, interessanteres Bild auf. In diesem Artikel nehme ich nach und nach die Funktionsweise unseres menschlichen Gehirns und seine Rolle in der Entscheidungsfindung in Bezug auf “Essen” auseinander. Danach werde ich erläutern, welche Konsequenzen wir aus diesen Hirnfunktionen ziehen müssen und warum diese einen Effekt auf unsere Ernährung haben. Verstehen wir die Funktionsweise des Gehirns, verstehen wir auch das Verhalten betreffend “Essen”. Hierbei wird es sicherlich einige Überraschungen geben. Solltest du weitere Informationen darüber haben wollen, ist Stephan Guyenets neustes Werk „The Hungry Brain“ eindeutig wert gelesen zu werden!

Das Argument der Vertreter flexiblerer Ernährung ist, dass zu starke Einschränkungen zu weniger Diäterfolg führen. Das wiederum stimmt! Ich bin aufgrund der Datenlage ebenfalls der Überzeugung, dass eine permanente, massive, unnötige Einschränkung betreffend ganzer Lebensmittelgruppen, wie “Low Carb”, “Glutenfrei”, “No Fat” etc. nicht zielführend ist. Ebenso wird angeführt, dass es eher auf die Makronährstoffversorgung und Mikronährstoffversorgung ankommt und weniger auf die Nahrungsmittel. Auch das ist korrekt! Dennoch können wir aus den Verhaltensweisen der Profis etwas lernen. Denn die wichtigste Ernährungsregel ist: “Nur die Ernährungsform, die du auch einhältst, ist die Beste für dich. Und eine simplere, etwas weniger auf Geschmack ausgerichtete Ernährungsform könnte dich deutlich effizienter ans Ziel bringen, weil sie einfacher einzuhalten ist.”

Damit du verstehst, wieso, ist es entscheidend, zu verstehen warum wir überhaupt mehr Essen, als wir sollten. Niemand mag Speckringe, dennoch fressen wir uns regelrecht zu Tode. Mehr als 60% der deutschen Einwohner sind übergewichtig! Trotzdem schaffen es viele Menschen nicht abzunehmen. Während viele Hypothesen herumgeistern, warum das so ist, trifft kaum eine den Nagel auf den Punkt. Von zu vielen Kohlenhydraten, zugesetztem Zucker, über Fettkonsum und süchtig machenden Zusatzstoffen wird viel diskutiert. Die Realität ist etwas komplexer. Jede kontrollierte, belastbare Studie zeigt uns, dass die Energiebilanz aus verbrauchten und zugeführten Kalorien entscheidend ist. Der Körper ist komplex und alles was zwischendurch abläuft, führt zu einem gleichen Effekt. Mehr Kalorien heißt dicker werden und weniger Kalorien heißt dünner werden. Dabei ist noch das Protein zu erwähnen, dass am Ende des Tages bei ausreichender Zufuhr Muskelschwund verhindert. Die Frage ist also: Warum nehmen wir zuviele Kalorien zu uns und was hat das nun mit Reis, Pute und Brokkoli zu tun?
In unserem Gehirn gibt es Regionen, die sich Basalganglien nennen. Ein Teil der Basalganglien wird Striatum genannt, bestehend aus dem Nucleus Caudatus und dem Putamen. Innerhalb unseres Gehirns gibt es Strukturen, die ständig Anfragen stellen und solche, die diese bearbeiten um daraufhin Reaktionen in Gang zu setzen. Das Striatum ist ein solcher Selektor, der Anfragen bearbeitet und als solcher ein entscheidender Teil des Gehirns. Im Standardmodus hält das Striatum sämtliche Funktionen im „Aus“ Zustand. Bearbeitet es eine Anfrage einer anderen Hirnregion, kann es die permanent unter Kontrolle gehaltenen Funktionen aktivieren. Von jedem Ort der Hirnrinde gibt es eine Verbindung zu einem bestimmten Teil des Striatums. Das Striatum wiederum entscheidet, welchen Anfragen aus der Hirnrinde es am Ende nachgeben soll. Auf diese Weise hat unser Gehirn in der Evolution eine relativ simple Auswahlstrategie für korrekte Verhaltensweisen entwickelt. Die Basalganglien sind in den meisten Wirbeltieren, inklusive Menschen, extrem ähnlich. In einem Neunaugen Aal sind die gleichen Abläufe vorhanden, wie bei einem Menschen. Bei uns Menschen lediglich etwas mehr in der Masse und komplizierter im Ablauf.

Der Orgasmusknopf

Die Basalganglien haben sich in ihrer Grundfunktion nicht verändert. Sie treffen nur bei einem Menschen deutlich öfter und komplexere Entscheidungen. Aus diesem Grund führen Fehlfunktionen in der Kommunikation zwischen Striatum und frontalem Cortex zu Krankheiten wie ADHS oder anderen Aufmerksamkeitsproblematiken. Für unsere Diätproblematik ist insbesondere das ventrale (untere) Striatum relevant. Dort werden Anfragen miteinander konkurrierender Emotionen und Motivationen bearbeitet, wie beispielsweise, Hunger, Kälte, Erregtheit, etc. . Wirst du also hungrig, werden somit vom präfrontalen Cortex stärkere Anfragen gestellt um diesen Hunger zu stillen. Sobald das ventrale Striatum diesen Anfragen stattgibt und die Hungermotivation freischaltet, sind mediales und dorsales Striatum mit den vielen Anfragen zur Lösung des Problems beschäftigt. Wo kriegt man nun welches Essen am besten her? Werden es Rumkugeln, Eiscreme oder ein Salat? Wie sensibel die entsprechenden Regionen auf diese Anfragen reagieren, ist unter anderem davon abhängig, wie viel Dopamin gerade in den Regionen unterwegs ist. Dopamin ist einer der vielen Neurotransmitter des Nervensystems.

Dopamin ist insofern interessant, weil Amphetamine und Kokain dieses Hormon in bestimmten Regionen ausschütten. Daraufhin werden viele Regionen deutlich erregter, was beispielsweise in Bewegungsdrang, Rededrang oder genereller Euphorie geäußert werden kann. Sind die Basalganglien beschädigt und reagieren nicht, entwickelt eine Person “Abulie”. Das bedeutet, dass derjenige keinerlei Willen mehr hat. Dieser Mensch würde unbehandelt aufhören zu essen, trinken, schlafen, aufs Klo zu gehen oder überhaupt etwas zu wollen. Behandeln wir eine solche Person mit Bromocriptin, bekommt sie mit der Zeit oft ihren Willen zurück, wenn auch nicht gänzlich. Die Basalganglien sind somit ein unverzichtbarer Teil unserer Motivation. Über die Ausschüttung von Dopamin sind sie ebenfalls an Lernprozessen beteiligt. Wir reagieren auf verschiedene Nahrungsmittel mit einer variablen Ausschüttung von Dopamin. Wie auch beim Abrichten von Tieren, werden Verhaltensmuster öfter gezeigt, die im Vorfeld erfolgreich belohnt wurden. Diese Verhaltensstruktur kann man auch bei uns und unseren Kindern beobachten. Dopaminausschüttung im ventralen Striatum ist der entscheidende Faktor, wenn es um das Erlernen geht. Wenn wir einen Knopf installieren, bei dem eine Maus diesen drückt und daraufhin eine Ausschüttung von Dopamin im ventralen Striatum erlebt, erlernt diese Maus mit der Zeit diese Verbindung zwischen Knopf und gutem Gefühl. Dadurch ist der Nager irgendwann so motiviert, 5000 mal in der Stunde auf den Knopf zu drücken. Die Forscher nannten diese Vorrichtung auch den “Orgasmusknopf.”

Dopamin, die Lernchemikalie

Diese Dopaminausschüttung ist entscheidend in unserem Lernprozess, welche Dinge wir tun und welche wir nicht tun sollten. Und insbesondere was wir Essen und nicht essen. Die Frage ist nun, was schüttet Dopamin aus, wenn wir es Essen? Und woher weiß das Hirn, dass es das tun soll? Die Antwort auf diese Frage ist: Unser Hirn ist ein Kaloriensucher. Und das gilt für alle Wirbeltiere. Setzt man Ratten in einen Käfig und bietet der Ratte zwei Getränke an, mit zwei Geschmäckern, aber ohne Kalorien, wird die Ratte keines der beiden bevorzugen. Setzt man einem der Getränke nun in einem Experiment von Anthony Sclafani per Magensonde Stärke hinzu, wird die Ratte dieses Wasser nun eher trinken. Durch die zugesetzten Kalorien lernt die Ratte, dass eine Sorte besser ist. In diesem Fall ist es die Glucose, die aus der zugesetzten Stärke gewonnen wird, die vom Hirn wahrgenommen wird. Eine andere Forschergruppe fand passend heraus, dass beim Pumpen von Glucose in den Magen eine Dopaminausschüttung stattfindet. Im ventralen Striatum. Nun könnten die Zuckerholiker wieder ankommen und sagen: Wir sagens doch, Zucker macht süchtig. Aber nein, so ist es nicht. Sclafani wiederholte die Experimente ebenso mit zugesetzten Fetten und Proteinen. Beides hat funktioniert. Je höher die Kaloriendichte des eingepumpten Nahrungsmittels, desto besser funktionierte es. Und interessant ist dabei, dass der Geschmack der Lebensmittel vorher wahrgenommen und mit der  vom ventralen Striatum wahrgenommenen Dopaminmenge verknüpft wird. So lernen wir, bestimmte Geschmäcker früh zu mögen. Unser Geschmack ist konditioniert. Sclafani konnte zeigen, dass eine Konditionierung für Zucker, Fett und Proteine vor allem dann gut funktioniert, wenn diese auch geschmeckt werden. Geschmack ist ein Reiz, mit dem wir Wohlbefinden durch Dopamin verbinden. Und Geschmacksstoffe sind es, mit denen wir auch heutzutage unser Essen bombardieren. Glutamat erzeugt den sog. Umami Geschmack, mit dem wir eine Vorliebe für japanisches und chinesisches Essen konditionieren können. Zucker zeigt uns reife Früchte an. Fette sind wunderbare Geschmacksträger, die insbesondere in Kombination mit Zucker besonders starke Geschmacksreize erzeugen. Diese Reize werden wiederum dann mit dem Dopamineffekt verknüpft, der im Hirn stattfindet. Der Geschmacksreiz und der Erfolg sind miteinander verknüpft. Essen wir etwas besonders energiedichtes mit einem starken Geschmack, dann fühlen wir uns aufgrund der Lerneffekte wohl. Wichtig ist dabei, dass es nicht nur um Zucker geht. Die Kombination aus Energie und Geschmack ist es, die diesen verknüpfenden Effekt erzeugt, nicht ein einzelner Nährstoff. Die wohl tödlichste Kombination ist die gelungene Verbindung von herzhaften und süßen Kombinationen. Wer die Sorte „Salted Caramel“ von Häagen Dazs einmal probiert, versteht im Praxisversuch sehr schnell, was „Food Reward“ verschiedenster Geschmäcker bedeutet.

Food Reward auf einem Bild. Kannst du bereits das Zusammenspiel aus sanfter Schokolade, fluffig leichtem Kuchen und kleinen knusprigen Schokostückchen spüren?  Studien mit funktioneller Magnetresosanztomographie (fMRT) zeigen, daß Personen bereits auf Bilder von Essen mit Dopaminausschüttung reagieren. Das, was gerade bei dir beim Ansehen dieses Bilds abgeht, ist also total normal. 

Die Evolution ist schuld!

Doch interessant ist das Problem nur dann, wenn auch genug Essen zur Verfügung steht. Wenn wir uns Jäger-Sammler Völker ansehen, dann haben diese so gut wie nie Mikronährstoffmängel. Mineralien und Vitamine sind bei diesen immer ausreichend vorhanden. Kalorien und energiedichte Lebensmittel wiederum sind oft Mangelware. Deswegen sehen wir oft beispielsweise einen Brokkoli an und denken uns „Meh“ während ein Eis mit ordentlich Fett und Zucker verlockend erscheint. Die Textur, der Geschmack, das Aussehen und die Verpackungen sind bereits dabei, unserem Hirn zu sagen „Das ist der Kalorienknaller.“ Und unser Hirn reagiert. Das geht soweit, dass Teile unseres Bewusstseins die Konditionierung so stark annehmen, dass wir Gelüste auf Dinge bekommen, die gar nicht da sind. Und obwohl wir nicht hungrig sind. Und es erklärt allerdings auch, warum wir seltenst einen totalen Flash bekommen und uns Blumenkohl reinhauen wollen. Da in der variablen Ernährung unserer Vorfahren schlicht genug Mikronährstoffe vorhanden waren, gab es keinen Selektionsdruck dafür, Nahrungsmittel mit hoher Mikronährstoffdichte zu erkennen. Hätte es das gegeben, könnten wir vielleicht Vitamin E, C und D schmecken, oder aber den Eisen oder Magnesiumgehalt eines Nahrungsmittels.

Wir wissen nun, die Dinge die gut schmecken, überisst man gerne. Und wir wissen warum. Was wir nicht wissen, ist was man dagegen tut und was das mit einer Wettkampfdiät zu tun hat. Und da wird es interessant, denn einige Faktoren sind bedeutsamer als man denkt. Lebensmittel, die einen besonders starken Geschmack haben und daher besonders schmackhaft sind, haben auch die meisten Kalorien. Wenn wir Personen verschieden schmackhafte Gerichte vorstellen, werden diese im Schnitt 40% mehr an Kalorien von denen Essen, die besonders schmackhaft sind. Auch wenn wir diese Energie gar nicht brauchen! Stephan Guyenet berichtet aus einer faszinierenden Studie aus dem Jahr 1965, in der Probanden ihr Essen nur noch aus einer Maschine in einer Art Brei bekamen. Während diese Paste energiereich war, war sie frei von Geschmack. Der Geschmack war bestenfalls neutral, auch wenn die Paste ausreichend Energie und Nährstoffe bereitstellte in Form aller Makro- und Mikronährstoffe. Die Forscher hatten verschiedene Personen im Experiment, dünne und übergewichtige Personen. Die dünnen Personen nahmen aus dem Automaten ihre täglichen normalen Kalorien zu. Sie reagierten ohne jegliche Abweichung auf das Experiment. Bei den dicken Probanden hingegen sank die Menge zugeführter Energie absolut drastisch. Die Probanden nahmen freiwillig nur noch ca. 400 Kalorien auf und verloren eine hohe Menge Fett während des Experiments. Sie fühlten sich allerdings nicht besonders hungrig. Einer der Probanden nahm die Paste mit nach Hause und nahm sie weitere 185 Tage zu sich und verlor insgesamt 100kg, die Hälfte seines Gewichts. Er fühlte sich zu keinem Zeitpunkt hungrig. Je weniger belohnend das Essen war, desto weniger Gesamtkalorien aßen die Personen, die bereits dick waren. Diejenigen, die dünn waren zeigten keinerlei Veränderung. Das legt den Schluss nahe, dass dickere Personen besonders auf schmackhaftes Essen und damit Belohnung aus Nahrung reagieren.

Buffets sind Böse. Insbesondere auf Diät.

Interessanterweise gibt es noch einen weiteren Umstand, der relevant ist. Und zwar Varianz. Wenn wir Probanden an ein Buffet stellen, dann werden diese oftmals mehr essen, als wenn wir ihnen nur eine einzelne Nahrungsquelle liefern. Ein Killer für jede Diät. Die Auswahl erzeugt deutlich höhere Mengen zugeführter Kalorien, wenn die Person ihre eigene Zufuhr kontrollieren darf. Mehr Auswahl bedeutet mehr zugeführte Energie. Das nennt man den Buffet Effekt. Wenn wir allerdings immer das gleiche Essen, sinkt unsere Motivation der Zufuhr. Das gilt auch für Eiscreme. Selbst wenn wir unlimitiert Eiscreme essen dürfen, wird mit einem bestimmten Zeitpunkt auch unsere Motivation sinken, es zu essen. Auch wenn es Salted Caramel ist. Mit jedem Becher würde unser Nutzen und unsere Motivation auf einen weiteren Becher sinken. Das nennen wir Habituation. In einer Studie von Barbara Rolls aus dem Jahr 1981 fanden die Forscher, dass die Bewertung einer Mahlzeit sinkt, wenn man sie bereits vorher probiert hat. In der Studie ließ man Probanden zuerst acht kleine Mahlzeiten probieren und diese bewerten. Dann bekamen die Probanden eines der Gerichte zum Mittagessen. Anschliessend wurden die Mahlzeiten wieder bewertet.  Als dann zur Überraschung der Probanden ein zweites Mittagessen am Buffet serviert wurde, wurden die anderen sieben Speisen deutlich häufiger verzehrt als die bereits vorher servierte Mahlzeit. Anschliessend wurden die Mahlzeiten wieder bewertet. Das bereits gegessene Gericht wurde deutlich weniger schmackhaft im Blindtest bewertet als die anderen. Im Durchschnitt wurden alle Gerichte etwas schlechter bewertet. Man mag jetzt sagen „Ja, das ist doch gesunder Menschenverstand.“ Eigentlich ist es das nicht, die Probanden hatten bereits gegessen, hatten genug Energie zu sich genommen und wurden ja getestet. Dass man nun mehr von den anderen Dingen isst, ist genau der Buffet Effekt. Dass man von einem Essen irgendwann genug hat und weniger isst, hat mit einem Effekt zu tun, den man sensorische Sättigung nennt. Man ist von dem Geschmack, den man schon geschmeckt hat, bereits einigermaßen gesättigt, daher isst man weniger. Der Körper reagiert deutlich schwächer mit Belohnung auf den gleichen Stimulus als auf einen zusätzlichen neuen Stimulus.

Fassen wir zusammen: Wir überessen, weil unser Hirn energiedichte Nahrungsmittel mit einer gewissen Schmackhaftigkeit durch die Ausschüttung von Dopamin im ventralen Striatum belohnt und das Verhalten dadurch festigt. Wir reagieren dadurch deutlich eher auf schmackhafte Nahrung und neigen mehr zum Überessen. Wenn wir auf Belohnungen durch Essen reagieren, dann negativ wie positiv. Wir reagieren auf Kaloriendichte aller Makronährstoffe und auf Geschmacksreize, nicht aber auf Mikronährstoffe. Neben dem Geschmack reagieren wir auch auf Varianz an Reizen. Je mehr verschiedene Dinge zum Essen da sind, desto mehr neigen wir zum Überessen.

Böse Dinge schmecken guuuuuut

Und damit kommen wir zur Bodybuilding Ernährung. Sehen wir uns diese als klassisch beschriebene Nahrung an, dann wird oftmals dazu aufgerufen hohe Mengen von Nahrungsmitteln zu essen, die besonders wenig Geschmack und eine niedrigere Energiedichte haben. Reis, Pute und Brokkoli sind die absoluten Inkarnationen von Nahrungsmitteln mit niedrigerer Belohnung durch Geschmack, die aber unsere Energiebedürfnisse decken können. Vielmals müssen sich Personen ihre Essen vorportionieren und können es bei der dritten oder vierten Mahlzeit des Tages nicht mehr sehen, kämpfen es sich aber rein. Der klassische Ausspruch ist „Ich habe selten soviel gegessen, damit ich abnehme.“ In Wahrheit hat die Person wenig Nahrungsbelohnung erfahren und die sensorische Sättigung hat früh eingesetzt. Die Person fühlt sich satt, muss aber weiter essen, empfindet es nun als „viel.“ Wir lernen daraus, böse Dinge schmecken gut, gute Dinge kriegt man irgendwann nicht mehr runter.  Zumindest irgendwie so ähnlich. 

In einer Wettkampfdiät hungert sich ein Bodybuilder auf einen enorm niedrigen Körperfettanteil. Wir wissen, dass bei Personen, die zu dick sind, sich viele Hormone beim Abnehmen in bessere Bahnen verschieben. Mehr Testosteron, weniger Östrogen. Ab einem bestimmten Körperfettanteil geht das aber alles in die Binsen. Frauen sind da sehr variabel, bei Männern beginnt das meist schleichend ab 10% abwärts. Hat man seine 5-6% erreicht, ist im natürlichen Zustand jedes Hormon im Keller und der Körper dreht seinen Hunger auf. Das ist einer der Gründe, warum sehr schnell Abnehmen vor allem für Personen mit einem höheren Körperfettanteil geeignet sind. Solche Diäten brauchen für Personen mit einem niedrigeren Körperfettanteil besondere Planung. In einem Zustand mit sehr niedrigem Körperfettanteil ist es entscheidend, seine Ernährung so zu gestalten, dass diese nicht verführerisch ist. Reis, Pute und Brokkoli sind zwar sehr restriktiv, bieten aber kaum Food Reward und bringen den Probanden nicht zum überfressen. Viele Bodybuilder argumentieren, sie „brauchen“ das in dieser Form, sonst drehen sie durch. Das ist verständlich, da sie in harten Mangelzuständen agieren und unser Körper da schlichtweg keinen Bock drauf hat.

Die Wahrheit für Diäten liegt aus meiner Sicht irgendwo dazwischen. Auf der einen Seite ist absolut klar, dass eine negative Energiebilanz vorliegen muss um Fett abzunehmen. Ebenso brauchen wir eine positive Energiebilanz um Fett zu speichern. Für Sportler ist es entscheidend, das richtige Gewicht zu halten. Auch wenn es völlig egal ist, wie man diese Kalorienbilanz erreicht, gibt es doch aufgrund der Besonderheiten unseres Hirns einige Regeln, die nützlich sein könnten. Eine davon sind Standardmahlzeiten, vorkochen und die Reduktion von Food Reward. Es mag nützlich sein, schmackhaftes Essen zu kochen, wenn man nicht auf Nahrung mit extremer Dopaminausschüttung reagiert. Neigt man zum Überfressen, sollte man sich die sehr schmackhafte Nahrung einteilen und stattdessen dafür sorgen, dass man sie mit wenig energiedichter Nahrung ersetzt. Nahrung, an der man sich nicht aus Versehen überfrisst. Man stellt sich einen Binge Eater oftmals mit fettigem Fleisch oder Schokolade vor, aber nicht mit gedämpftem Gemüse und Putenstreifen. Diese Bodybuilder Taktik ist also durchaus effektiv um die Zufuhr unter Kontrolle zu halten.

Fazit

Damit wird klar, inwiefern ein positiver Effekt in einer Wettkampfdiät von den stark reduzierten Einschränkungen der Bodybuilder herrühren kann. Und auch, inwieweit dies helfen kann, Überfressen während der Diät zu vermeiden, auch wenn nach der Diät dann oftmals stark über die Stränge geschlagen wird. Und es zeigt auch, dass es zwar nicht immer nötig ist, einigen Personen aber helfen kann, überhaupt mit einer Diät erfolgreich zu sein. Womit beide Seiten übrigens Recht haben. Man kann, muss aber nicht. Es zeigt nicht, dass eine Diät nur aus Reis, Geflügel und einem einzelnen Gemüse bestehen sollte. Was du mitnehmen solltest, ist Folgendes: Wenn es nach nichts schmeckt und nicht besonders kaloriendicht ist, kannst du davon oftmals ohne Kontrolle essen. Sobald es nach etwas schmeckt, sobald es kaloriendicht ist, ist es nötig deine Zufuhr auf das Gramm genau zu kontrollieren. Ob du 450 oder 400g Pute ist, ist ziemlich egal. Vermutlich kämpfst du ab 300g eh. Ob du 300 oder 400ml Salted Caramel Eiscreme zu dir nimmst,  wirst du allerdings kaum merken, dir aber mit einem Schlag dein Defizit versauen. Wenn du deine Diät kontrollieren willst, sind daher folgende Ratschläge nützlich:

  • 80% aller Nahrungsmittel und Energieträger die du zu dir nimmst, sollten aus wenig verarbeiteten, wenig energiedichten Quellen stammen. Darunter fällt alles, was wenig Eigengeschmack hat und kaum verarbeitet ist, von Kartoffeln, magerem Fleisch, Gemüse, teils auch Früchten (Bananen sind doch sehr kalorisch, wenn auch gesund und Kalium und Magnesiumhaltig
  • 20% deiner Nahrungsmittel können aus energiedichten Nahrungsmitteln stammen, die du aber ebenso bis auf das Gramm genau kontrollierst, dazu gehören Dinge wie Erdnussbutter, Eiscreme, fettiges Fleisch und allem was du als Junk Food erkennen würdest
  • Weniger Varianz! Limitiere dich auf eine festgelegte Anzahl von Mahlzeiten, leg dich pro Tag auf so wenige Nahrungsmittel fest, wie es dir gerade noch möglich ist ohne dass es dich belastet
  • Erzeuge Geschmack ohne hochkalorische Geschmacksträger. Nutze, sofern du es kannst, Geschmacksstoffe, um wenig schmackhaftes Essen schmackhaft zu machen, bspw. Indem du Gemüse richtig würzt, aber es nicht in Fett ertränkst (Nogo.). Dazu gehören Kräuter, Gewürze, Salz und alle anderen möglichen Geschmacksträger, die Essen schmackhaft machen ohne es energiereich zu machen.
  • Vorsicht bei Comfort Food! Vermeide, Nahrungsmitteln mit hohem Food Reward zu begegnen. Wenn es dich triggert, solltest du es nicht zuhause haben. Wenn du stark auf Backwaren reagierst, umgehe in einer Diät alle Bäcker auf deinem Weg. Wenn du ein Bauchfleisch Freak bist, umgehe Fleischer. Deine Willenskraft in allen Ehren, aber du hast wahrscheinlich keine Chance.
  • Niemals hungrig einkaufen! Kaufe die Dinge ein, die du essen willst, nachdem du bereits gegessen hast. Gehe nicht hungrig einkaufen, das verleitet dich nur.
  • Limitiere dich auf wenige Comfort Foods in einer Diät, wähle diese gezielt aus und kaufe sie am besten nur nach, wenn du sie bereits gegessen hast, da dich die wahrnehmungsspezifische Sättigung dabei unterstützt. Wenn du nur einen kleinen Becher da hast, kannst du auch keinen großen Becher essen. Zu sagen “Ich esse nur den halben Becher” funktioniert nahezu nie.

Die richtigen Ernährungsstrategien um dein persönliches Ernährungsziel zu erreichen, findest du in meinem Buch “Satt, Stark, Schlank”:

Quellen

Anstatt jede Quelle einzeln zu nennen, verweise ich einfach auf das großartige Buch “The Hungry Brain” von Stephan Guyenet, dass alle diese Dinge und noch viel mehr großartig zusammenfasst!

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13 Gedanken zu „Dein Gehirn auf Diät“

  1. Hammer Artikel Frank! Ich weiß schon direkt welchen Menschen ich ihn schicken werde 🙂
    Leicht verständlich klar gemacht. Hab wieder wichtige Infos mitgenommen 🙂 das WARUM hinter den Infos, die ich schon hatte, war mir besonders wichtig zu erfahren. Danke dafür 🙂

  2. Vielen Dank für diesen Beitrag!! (gilt übrigens für alle deine Beiträge!)
    Oha! Auch wenn es “so irgendwie….” schon klar war… Großartig! Diesen Blickwinkel finde ich ausgesprochen gut verständlich und hilfreich!

  3. Hey Leute, hallo Frank,

    Haben light Getränke einen Einfluss drauf? Sie haben ja sehr geringe Nährwerte (oft fast 0kcal) allerdings den Geschmack der ja auch einen Faktor spielt. Würden light Getränke zu mehr Hunger (und vllt höherem kcal Aufnahme) führen?

    LG Erich

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