Mit welcher Frequenz sollte man für den Muskelaufbau trainieren? Kann ich mit einem Mal Training pro Woche Muskulatur aufbauen? Sollte ich einen großen Split fahren und die Muskulatur einmal die Woche total zerlegen und sie dann erholen lassen? Genau diese Diskussion spaltet oftmals die Lager der Old School und wissenschaftlich orientierten Trainees.
Schaut man sich Studien an Bodybuildern an, trainieren die meisten Profis mit einem 3er, 4er oder 5 er Splits, belasten den Muskel in fast allen Fällen gezielt einmal hart die Woche mit 4-6 Übungen pro Gruppe. So das Ergebnis einer Studie, die sich mit den Trainingsgewohnheiten von Bodybuildern auseinandersetzt.
Warum also rennt die sogenannte “Science” Fraktion durch die Gegend und dreht jedem eine höhere Frequenz an? Die alten Hasen sehen das kritisch, sehen den 4er oder 5er als optimal. Die “wissenschaftlich orientierten” gehen soweit zu sagen, einmal die Woche funktioniert nicht. Und beide liegen falsch. Beide ignorieren die Wissenschaft zu diesem Thema und beide wiederum ignorieren die Trainingsprinzipien der Spezifität.
Was stimmt wirklich?
Die Geschichte des Trainings mit niedriger Frequenz ist altbekannt. Arthur Jones und später auch Bodybuilder wie die Mentzer Brüder schworen auf Hochintensitätstraining. Einen richtig harten Satz bis zum absoluten Muskelversagen. Nach diesem Satz sollte der Muskel Zeit zum Wachsen bekommen, man gab je nach Ansatz bis zu 7-10 Tage zwischen Einheiten. Man teilte somit den Körper in Partien auf und zerlegte diese ordentlich.
Während nicht jeder Bodybuilder heutzutage nach HIT trainiert, hat der Bodypart Ansatz Tradition. Man nutzt viele Übungen und ein hohes Volumen. Und das ist eine gute Idee, denn eine Meta-Analyse von Einsatz vs. Mehrsatztraining zeigte, dass ein Einsatztraining nur 60% des Effekts eines Mehrsatztrainings mit sich bringt. Mehr Sätze und damit mehr Volumen bringen also mehr als 40% mehr Trainingseffekte. Aber Einsatztraining BRINGT eben 60% des Trainingseffekts mit einem niedrigeren Einsatz.
Und eine ähnliche Situation finden wir nun bei der Frage der Frequenz wieder. Brad Schoenfeld und sein Team untersuchten Studien an Untrainierten und Trainierten und gruppierten die Trainingseffekte nach Frequenz. Die Gruppen waren volumengleich, da nur in dieser Form ein Vergleich stattfinden kann. Durch die Bank zeigten Gruppen mit höherer Trainingsfrequenz eine höhere Hypertrophie als Resultat des Trainings. Es handelte sich dabei um eine 48% höhere Effektstärkte. Die Gruppen mit niedriger Frequenz zeigten 3.7% Wachstum während Gruppen mit höherer Frequenz im Schnitt Zuwächse von 6.8% zeigten. Wer den Muskel nur einmal die Woche belastet, lässt somit bei gleichem Volumen einiges auf dem Tisch liegen. Es wäre eben MEHR möglich. Wer das Volumen in der Gruppe mit einem Training pro Woche drastisch erhöht, wird allerdings möglicherweise noch einen besseren Erfolg aufweisen und etwas von dem verschenkten Potential noch wettmachen. Und damit kommen wir zu einer viel entscheidenderen Frage: Wo ist am Ende der Unterschied? Der liegt, wie so vieles, in der Effizienz und genutzten Zeit.
Effekte über Zeiträume
Es gibt immer wieder Streit mit Athleten mit jahrzehntelanger Trainingserfahrung. Dort wird aus Erfahrung argumentiert, dass jetzt nach 15 Jahren ja alle gut zugelegt haben, egal wie sie trainiert haben und das die Diskussion daher bescheuert ist. Und zum Teil muss man dem auch zustimmen, nach 15 Jahren sieht die Welt anders aus.
Wenn wir wissenschaftliche Erkenntnisse zur Trainingssteuerung nutzen, geht es uns selten um einen solchen langen Zeitraum. Als Trainer werden wir nur bei Olympioniken auf vier Jahre planen, ansonsten denken wir in Zeiträumen von maximal einem Jahr. Wenn wir in den ersten 3 Jahren unseres Trainings bis zu 80% unserer gesamten Trainingsleistung aufbauen und von dort an in kleinen Schritten vorangehen, dann macht es einen Unterschied, ob wir nun 48% weniger aufbauen. Denn wir würden nur ~42% unseres maximalen Potentials in dieser Zeit ausreizen. Es ist also eine ineffiziente Trainingsweise in diesem Zeitraum.
Reell ist der Fortschritt im Kraft- und allgemeinen Sport nach drei Jahren jedoch eher in kleinen Schritten realisierbar. Die großen Steigerungen der Anfänger sind uns nicht mehr vergönnt. Das liegt daran, dass der Körper immer mehr Belastung, immer mehr Volumen, immer mehr Stress braucht, um adäquat zum Reagieren gezwungen zu werden. Und dieser Zustand ist nun eher davon abhängig, an welchem Punkt des Potentials wir uns befinden, als wie lange wir trainieren. Stellen wir uns nun vor, wir erhöhen den Zeitraum auf zehn Jahre. Nach 3 Jahren wird es für die Trainierenden mit höherer Frequenz deutlich langsamer möglich, Steigerungen zu fahren. Die Gruppe mit einer niedrigen Frequenz kann unter Umständen ihre bisher langsamere Steigerungsfrequenz halten. Und nach fünf Jahren kann es sein, dass man nur noch 5-10% auseinanderliegt. Einer beugt nun 250kg, der andere 210. Muskeltechnisch gesehen haben beide Athleten über 80% ihres Potentials erreicht, der optische Unterschied nach fünf Jahren ist minimal. Und nach zehn Jahren? Nun, optisch wird der Unterschied schwer zu sehen sein. In der Leistungssteigerung wissen wir, dass eine einzige Trainingseinheit pro Lift pro Woche für viele Top Powerlifter ausgereicht hat, gute Werte anzubringen. Wären diese heutzutage unter den Top 10? Nein. Wären sie nach einer Dekade Arbeit verdammt stark? Absolut!
Weitere Faktoren sind natürlich dort zu suchen, wo sich Menschen unterscheiden. Pro Bodybuilder werden ist nur möglich, wenn man das genetische Potential dazu mitbringt. Auch wenn Steroide eine Menge beschleunigen und das Potential für Muskelaufbau massiv erhöhen, ist die Genetik immer noch von der Partie. Und so ist eben auch ein Selektionseffekt zu beobachten. Diejenigen, die am Ende auf der Bühne stehen sind auch wohl die, die auf eine niedere Frequenz dann ausreichend reagieren. Und es sind vermutlich ebenso diejenigen, die ein gutes Potential zum Aufbau haben. Und möglicherweise hängen diese beiden Faktoren sogar zusammen! Da keine einzige Person in der Bodybuilder Studie einen zweier Split gefahren hat, ist davon auszugehen, dass hier eine besondere Population vorliegt.
Fazit
Das Problem in der Streitfrage der Frequenz und Splits ist nicht etwa eine Frage des Potentials, sondern der Effizienz. Es ist eine Frage, was wir als “Funktionieren” bezeichnen. Die größten Effekte nehmen wir aus der Anfangszeit unserer Trainingskarriere mit. Den Rest erkämpfen wir uns später. Je nachdem wie wir uns danach voran bewegen, können wir ähnliche Endpunkte erreichen. Der Bodybuilding Split funktioniert, er hat nur mittelfristig einen niedrigeren Trainingseffekt. Sogar drastisch reduziert. Aber auf lange Sicht werden wir durchaus ähnliche Endpunkte erreichen. Das ist einfach deswegen der Fall, weil die wenigsten Athleten ihr eigenes maximales Potential erreichen. Ja, klar ist eine Trainingsweise effizienter. Solange die anderen aber weiter trainieren werden sie unter Umständen konstante langsame, aber stetige Erfolge vorweisen. Und damit an ähnlichen Endpunkten ankommen. Für einen möglichen Elite Athleten ist solch eine Vorgehensweise absolut undenkbar, verschwendete Lebenszeit kann die Karriere und Medaillen kosten. Wer das Maximum an Muskelaufbau rausholen will, sollte die gleiche Muskulatur aber MINDESTENS zweimal die Woche trainieren. Hobbyathleten können eben auch mit niedrigeren Trainingseffekten zufrieden sein auf lange Sicht, denn ein Effekt stellt sich ja ein. Wenn man nicht direkt vergleicht, dann “funktioniert” der hohe Split eben auch für Anfänger. Und genau deswegen ist die Diskussion hirnrissig: Die Frage ist nicht, ob er funktioniert, sondern wie gut er funktioniert. Und hier zeigt sich ein Vorteil für eine höhere Frequenz ähnlich wie bei hohem Volumen. Aber das heißt eben nicht, dass bei HIT oder 4er Splits beim Anfänger gar nichts passiert. Der richtige Trainingsplan für den Richtigen Athleten. Optimiert, oder eben nicht, bleibt Trainer und Athlet überlassen.
‘Quellen’
Krieger, J. W. (2010). Single vs. multiple sets of resistance exercise for muscle hypertrophy: a meta-analysis. The Journal of Strength & Conditioning Research, 24(4), 1150-1159. https://www.researchgate.net/profile/James_Krieger3/publication/42345560_Single_vs._Multiple_Sets_of_Resistance_Exercise_for_Muscle_Hypertrophy_A_Meta-Analysis/links/54e35de50cf2be54da85c073.pdf
Schoenfeld, B. J., Ogborn, D., & Krieger, J. W. (2016). Effects of Resistance Training Frequency on Measures of Muscle Hypertrophy: A Systematic Review and Meta-Analysis. Sports Medicine, 1-9. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/27102172
Deine Artikel sind einfach große Klasse, Frank! Freu mich jedes Mal, wenn ein neuer erscheint. Ganz stark!
Insgesamt finde ich den Artikel gut, mit einer kleinen Anmerkung: Es ist nicht nur die Frage, in welcher Zeit zwei verschiedene Trainingsprogramme zu ein- und demselben identischen Ziel führen. Der Artikel zeichnet dieses Bild. Der Knackpunkt ist, dass ein optimales Training nicht nur die Zeit für die Zielerreichung minimiert, sondern dass das maximal erreichbare Ziel HÖHER ist als bei einer nicht-optimalen Trainingsweise. Bspw wird jemand mit einmaligem Bankdrücken pro Woche auch nach theoretischen 50 Jahren suboptimalen Trainings (lassen wir biologische Faktoren außer Acht) nicht auf das Niveau wie nach 10 Jahren optimalen Trainings kommen. Denn wie du schon beschrieben hast, steigen die Anforderungen an die Adaptionsauslösung. Einmaliges Training wird irgendwann dem nicht mehr gerecht – es gibt dann nicht nur kleinere, sondern keinerlei Fortschritte mehr.
Jain. Im Großen und Ganzen hast du Recht. Dennoch ist es ebenso, dass es schwer zu sagen ist, wie groß dieser Anteil wirklich ist, den man nicht erreicht. Viele Studien zeigen dass es auch bei sehr erfahrenen Trainierenden mehr auf Volumen ankommt, als Frequenz bspw. Auch wenn die Frequenz den Erfolg pro Zeiteinheit verbessern würde, ist es erstaunlich, wieviel eben doch mit einer Einheit möglich ist. Und das ist einer der Gründe, wieso wir eben die Problematik des Optimalen haben: Viele haben mit suboptimalen Trainingsplänen beeindruckende Erfolge, was es eben nicht besser macht.
Naja, beides: Mehr Frequenz ermöglicht mehr effektives Volumen, weil zB bei Freq = 1/W das Ertragsgesetz irgendwann dazwischenfunkt – so sehr man auch den 25. Satz Brust liebt. Zum anderen wissen wir schon, dass Freq > 1 und wsl auch darüber hinaus steigende Freq mit steigendem Niveau vonnöten ist (http://www.lookgreatnaked.com/blog/how-many-times-should-you-train-a-muscle-each-week/ und Norwegerstudie, siehe auch das Interview von Irake mit Henselmans ) . Für Hypertrophie, besonders aber für Kraft.
Noch ein Hinweis zu deinem “Muskel = Kraft”-Artikel: Finde ich sehr gut, und habe auch nur eine kleine Anmerkung (soll heißen, ich finde die überwältigende Mehrheit deines Artikels spitze): Der Mythos über Freak Strength lässt sich ziemlich simpel widerlegen: Keine normale Mutter wird ein Auto hochheben können, selbst wenn ihr Kind darunter liegt. Warum? Ganz einfach: Nehmen wir für die autonome Reserve großzügig 20% an (in der Literatur eher 10-15%). So, eine untrainierte Frau hat ein 1RM KH von vielleicht 70kg. Schlagen wir 20% drauf, sinds 84kg. Die Meldungen über wahnsinnige Leistungen im Angesicht von Extremsituationen sind also rein logisch nicht möglich, wenn nicht schon ein Potential nahe (eben 20% unter) diesen Leistungen besteht. Das 200kg Teil hebt also eine Mutter in der Situation nur hoch, wenn sie ein KH-1RM von ca. 170kg hat. Also eine recht ordentliche KDK ist. 🙂
Würde man denken, ja. Allerdings gibt es dafür eine Menge durchaus entsprechender Situationen, in denen genau diese Situationen auch auf Video oder durch die Polizei dokumentiert sind. Der Mann, der den Helicopter gehoben hat, die drei Personen, die ein Auto verschoben etc. Ist ja nicht so, als wären diese Situationen nicht dokumentiert. Die nachfolgenden Krankenhausaufenthalte auch 😉
Was die Frequenz angeht: Ja, der Meinung bin ich ebenso. Allerdings sieht man gut, wieviel auf lange Sicht möglich ist. Der überragende Großteil der Bodybuilder hat enorme Effekte mit “Einmal die Woche zerlegen”. Daher ist eben die Frage zu stellen: Wie gross sind die Auswirkungen und wie groß ist der Effekt langfristig? Und auch: Wie verändert sich das Ganze mit Stoff? Denn ich bin definitiv für ein frequenteres Training, dennoch gibt es genug Beispiele von Freaks, die neben genetischer Lotterie eben auch durch suboptimales Training auffallen neben ihren beeindruckenden Resultaten 😉
Freak strength: Was genau ist dokumentiert? “Drei Personen ein Auto verschieben” ist völlig undefiniert von den Kraftanforderungen. Wieviel Kraft haben sie da aufgewendet? Natürlich ist es möglich, wenn es in ihrer Maxkraft plus 10-15, lass es meinetwegen 20% sein, liegt. Das ist etwas anderes, als wenn eine untrainierte Frau, die wie gesagt ein 1RM KH von etwa 70kg hat, nicht 84kg, sondern 200kg hebt. DAS ist unmöglich und ich biete einen Wetteinsatz, wenn du mir diese Leistungssteigerung dokumentieren kannst.
Frequenz: Was wäre, wenn BB höher frequenter trainieren, vielleicht wären sie ja noch besser? Und was du ja auch sagst: Wie verändert sich das unter Doping – vielleicht ist da ja niedrigfrequentes Training dabei besser?
Deshalb kann man da rein aus den Anekdoten oder aus dem, was die Mehrheitmacht, kaum was schließen. Deshalb gibts ja science.
Hier geht es um alte Schule, oder doch um moderne Sportwissenschaft. Ich selbst sehe es allerdings auch etwas kritischer ein Dogma zu thematisieren, denn letztlich ist jeder Sportler ein eigener und hochgradig individueller Organismus. Was bei mir wirkt, muss nicht bei jedem anderen Sportler wirken. Ich beispielsweise trainiere seit mehr als 24 Jahren und habe meine größten Erfolge mit Heavy Duty gemacht, wie im Artikel beschrieben wird, aber bin seit zwei Jahren soweit, dass ich jeden Muskel mit wenigstens 3 Reizen in jeder Woche belaste und erziele große Erfolge. Also selbst bei mir selbst, gibt es keinen wirklichen RICHTIGEN Ansatz.
Sehr gut geschriebener Artikel allerdings !!
Jeder Sportler ist zwar individuell, Training ist aber normalverteilt, d.h. es gibt ein sog. Konfidenzintervall in dem 95% aller Sportler liegen und ein noch etwas kleineres Intervall, in dem 65% liegen. Daher ist es relativ interessant zu sehen, dass ein Großteil der Menschen auf eine bestimmte Weise reagieren wird, ganz abseits von jeder Individualität.
Was aber wichtig ist, ist dass die Effekte oftmals marginal sind. Wenn ein Trainingseffekt 20% besser ist als ein anderer, braucht man eben 6 statt 5 Jahre für den gleichen Effekt. Da der Zusatznutzen immer weiter abnimmt, wird man viele Unterschiede selbst gar nicht wirklich merken. Das effizienter und effektiver Trainieren ist daher für viele Trainierende etwas, was sie nur merken, wenn sie in einem großen Pool von Athleten vermessen werden. Daher auch viele Ansätze, viele Ideen, viele Erfahrungen, die alle etwas anderes sagen. Trainingseffekte sind schon total variabel, selbst bei optimalem Training. Daher ist mein Ansatz: Wir beginnen mit der wissenschaftlichen Effizienz. Dann gehen wir in Richtung Individualisierung und dann gucken wir, worauf jemand mehr Bock hat. Wenn man durch mehr Bock 10% verliert, dadurch aber dabei bleibt, ist das mehr Wert als korrekt zu sein aber nicht zu trainieren. Das ist eben die Sache der Wissenschaft 😉
Ich weiß zwar nicht ob du diesen Kommentar noch lesen wirst, aber wirst du noch einen Artikel über das leidige Thema “Aufbauen im Defizit” machen? Grob gesagt gibt es zwar genug darüber, aber halt so nen Guide, ab wann es auch für Fortgeschrittene/advanced lifter Sinn machen könnte und wie man vorgehen sollte, wenn man es anstreben möchte.
Das wäre fett!
Gibt relativ wenig gute Daten dazu, kann ich aber durchaus mal angehen.