Kreuzheben – alles was du wissen musst!

Das Kreuzheben ist die aus meiner Erfahrung die Übung, über die am meisten diskutiert wird. Die Übung, die am wenigsten verstanden wird und vor allem eine Übung, welche in meiner Erfahrung selten richtig ausgeführt wird. Sie ist Teil des Kraftdreikampfes/Powerlifting und in ihrer Ausführung eigentlich denkbar einfach: Man hebt eine Hantel vom Boden auf, streckt die Knie und den Oberkörper bis man gerade steht und setzt dann die Hantel wieder ab. Simpel, so scheint es. Was ist funktionaler, als etwas vom Boden zu heben?

Die Langhantel erlaubt rein ergonomisch eine eher komfortable Bewältigung des Gewichts. Niemand wird jedoch einen 200kg Deadlift als angenehm bezeichnen. Schaut man sich im Netz um hört man allerdings eher, diese Übung sei nicht gut für den Rücken. Man mache ihn damit kaputt, vor allem ja als Anfänger. Sofern es richtig ausgeführt wird, ist dies wieder einmal absoluter Blödsinn. Jeder kann lernen, Dinge vom Boden zu heben. Entscheidend sind die richtige Technik und das richtig gewählte Gewicht. Kreuzheben ist auch ein Gegenstück zur Kniebeuge. Anstatt das Gewicht wegzudrücken, ziehen wir es vom Boden weg. Kreuzheben wird als Zugübung verstanden. Das ist jedoch nur teilweise richtig. Ebenso wie bei der Kniebeuge helfen uns Beinstrecker und Hüftstrecker im aufrichten des Körpers. Tendenziell anders ist nur, wo sich das Gewicht befindet.

Kreuzheben kann daher als eine Zugübung für Arme, Latissimus und Rückenstrecker verstanden werden, während es eine Druckübung für die untere Hälfte des Körpers ist. Dieser Umstand hat schon zu viel Verwirrung geführt, in welche Einheit man das Kreuzheben nun stecken sollte. Oberkörper? Nein, da die Beine involviert sind. Unterkörper? Nein, da Traps, unterer Rücken und oberer Rücken beteiligt sind. Push? Nein, denn der Oberkörper zieht ja das Gewicht vom Boden. Pull? Nein, der Unterkörper drückt ja gegen den Boden. Insgesamt sei daher gesagt: Wo man das Kreuzheben einsetzt, ist relativ egal. Entscheidend ist, dass es eine sehr belastende Übung ist, bei der das übliche Volumen gut halbiert werden kann.  

Warum eigentlich “Dead”lift?

Weitere Verwirrung kommt beim Kreuzheben meist auf, da es verschiedene Varianten gibt, die alle mit Kreuzheben bezeichnet werden. Im Englischen heißt es Deadlift. Deadlift deswegen, weil das Gewicht aus dem toten Punkt am Boden gehoben wird. Dieser tote Punkt ist entscheidend für das Kreuzheben und das Verständnis der Übung: Es geht darum, maximale Kraft auf ein Objekt am Boden auszuüben. Es ist eine Übung, die keinen Dehnreflex hat und darin liegt ein großer Teil ihres Reizes. Andere Varianten des Kreuzhebens sind Sumo Kreuzheben, Trapbar/Hexbar Kreuzheben, rumänisches Kreuzheben (Romanian Deadlift; RDL), Kreuzheben mit gestreckten Beinen (Stiff Leg Deadlift SLDL), Kreuzheben aus einem Höhendefizit (Deficit Deadlift) und Rack Pulls. Während Sumo Kreuzheben, Trapbar Kreuzheben und Rack Pulls ebenso keine sinnvolle negative Bewegung haben, ist die negative Bewegung beim rumänischen Kreuzheben (RDL) und gestreckten Kreuzheben (SLDL) ein entscheidender Teil der Bewegung. Der Unterschied zwischen Sumo und konventionellem Heben ist weitestgehend in der Standweite begründet.

Die Unterschiedlichen Startpositionen von Sumo und konventionellem Kreuzheben:

Übersicht Kreuzheben

Beim Kreuzheben sind die Arme gestreckt und die Hantel wird mit neutralem Torso vom Boden gehoben. Die Hüfte und Rückenstrecker erledigen hierbei einen großen Teil der Arbeit, die Beinstrecker sorgen vor allem am Anfang der Bewegung dafür, dass das Gewicht vom Boden gehoben werden kann. Die Beinbeuger sorgen wie bei der Kniebeuge für eine Stabilisierung des Kniegelenks. Die Startposition im Kreuzheben ist von der Hüftposition etwas höher als die Endposition der Kniebeuge, weswegen die Beinstrecker nicht so stark gefordert werden wie bei der Kniebeuge oder Frontkniebeuge. Besondere Funktionen kommen der Unterarmmuskulatur und dem Latissimus zu. Kreuzheben erfordert massive Griffkraft, viele Heber heben sogar mehr Gewicht als ihr Griff zulässt. Hierfür nutzt der Athlet verschiedene Griffpositionen oder Griffhilfen, die später besprochen werden. Während Griffhilfen für einige Lifter gerade im Bodybuilding eine Entlastung sind, nehmen sie dem Körper auch etwas Wichtiges: Feedback von den Händen. Der Rücken hebt nicht, was die Hände nicht halten können. Ohne Griffhilfen bleibt ein missglückter Lift so gut wie IMMER am Boden. Daher sind Griffhilfen von meiner Seite für den Großteil der Athleten nicht empfohlen. Erfahrene Athleten, die ihre Griffkraft aktiv trainieren können Griffhilfen nutzen, sofern sie wissen, wie sie damit umgehen müssen. Insofern der Athlet nicht mit seiner Griffkraft kämpft, können Sie für Assistance Übungen wie rumänisches Kreuzheben oder Kreuzheben mit gestreckten Beinen genutzt werden. 

Bevor wir mit dem Setup für das Kreuzheben weitermachen, gibt es noch einen Ratschlag: Benutze keine Handschuhe. Handschuhe gehören NICHT in das Programm eines ernstzunehmenden Hebers. Sie haben eine mögliche Funktion mit Kettlebells und für High Rep Training wie Rudern, aber im Programm eines Trainierenden mit der Langhantel haben Handschuhe keinen Platz. Sie stören das Gefühl für die Hantel, rutschen von der Hand und verhindern im Gegensatz zur allgemeinen Überzeugung NICHT das Entstehen von Blasen. Das Entstehen von Hornhaut und Blasen an den Händen wird vermieden, indem du richtig greifst, Chalk/Kreide oder Flüssigkreide benutzt und deine Hände pflegst. Männer, die der Meinung sind; Handpflege sei etwas für Frauen, dürfen sich gerne mit Hochseefischern unterhalten, die lange Jahre am Meer im Salzwasser arbeiten. Auch Profi Gewichtheber pflegen ihre Hände. Wer seine Hände strapaziert, muss diese pflegen. Handcreme und Hornhautraspel sind für jemanden, der mit schwerem Gewicht trainiert oft notwendig. Handschuhe verhindern vernünftige Technik und rutschen von den Händen, egal wie teuer sie sind. Wer mit Handschuhen hebt, braucht nicht nach weiterem Rat fragen. In Studios in denen Kreide nicht erlaubt ist, solltest du erwägen das Studio zu wechseln und ansonsten Flüssigkreide oder im Notfall Zughilfen benutzen. 

Setup

Das Setup des Deadlifts folgt einer immer gleichen Abfolge von Schritten. Es ist wichtig, dass du dieses Setup IMMER einhältst, ob beim Maximalkraftversuch, Aufwärmen oder regulären Training. Nur auf diese Weise erhältst du eine konstante, korrekte Form und kannst sichergehen, dass du die Übung richtig ausführst. Hier gibt es keine Diskussionen oder Varianten: Führst du das Setup anders aus, ist es nahezu garantiert, dass in der Übungsausführung Probleme auftreten.

1. Der Stand

Die Standweite beim Kreuzheben ist ziemlich individuell. Dennoch gibt es ein paar Regeln: Der minimale Abstand zwischen den Fersen ist ca. eine Faustgröße. Beim konventionellen Kreuzheben überschreitet die Standweite die Grenze von einer Schulterbreite nur selten. Beim Sumo Stand gilt: Innerhalb der Hantel, mindestens 1,5 Schulterbreiten. Welche Variante man wählt, hängt stark davon ab, wie die eigenen Zugverhältnisse gegeben sind. Jemand mit sehr langen oder sehr kurzen Beinen wird oft zum Sumo Stand tendieren. In Kraftdreikampf Wettkämpfen sind aus guten Gründen beide Varianten zugelassen. Auch wenn es zuerst scheint, als würde der breite Sumo Stand eine Menge Reichweite wegnehmen und den Lift einfacher machen, so erschwert die Variante gleichzeitig die Arbeit der Beinstrecker. Die stärksten Kreuzheber der Welt ziehen zumeist im konventionellen Stand. Beispiele sind Benedikt Magnusson und Andy Bolton. Ein klassischer Grund für den Sumo Stand ist die Flexibilität. Einige Lifter finden es angenehmer, da der weite Stand eine aufrechtere Torso Position erlaubt und damit die Gefahr eines runden Rückens minimiert wird.

Stell dich fürs Kreuzheben nun in eine Position mit der Stange über der Mitte des Fußes, ca. 3-4cm vom Schienbein entfernt. Die Füße sind ca. 30° nach außen rotiert, ähnlich wie beim Kniebeugen.  Wie das richtig aussieht, siehst du auf den nächsten Bildern:

Optimal

Zu weit hinten

Zu weit vorne

2. Der Griff

Jedes Deadlift Setup hat einige Konstanten, die immer gleich sind. Konstante Nummer 1 ist der Griff. Es gibt eine relativ einfache Regel: Es gibt zwei Arten von Griffen an der Langhantel, eine für Druck, eine für Zugübungen. Bei Druckübungen macht es meist Sinn, dass die Hantel in der Handinnenfläche liegt. Auf diese Weise wird keine unnötige Kraft auf das Gelenk ausgeübt. Bei Zugübungen, wie dem Kreuzheben, ist das nicht sinnvoll. Das Gewicht arbeitet gegen die Schwerkraft und wird daher automatisch in die Endposition gezogen. Greifen wir wie bei Druckübungen, zerreißt die Hantel die Haut. Halten wir die Stange über dem fleischigen Part unter den Fingern, zieht die Hantel die Haut mit nach unten und es ergeben sich dadurch Schmerzen und riesige Hornhautfelder. Im Kampf 100kg vs. 1cm Hautfalte dürfte der Gewinner im wahrsten Sinne auf der Hand liegen. Stattdessen legen wir die Hantel wie im Bild unten gezeigt direkt in den Haken, den unsere Finger automatisch bilden. Da die Stange bei schwerem Gewicht dort sowieso hin rutscht, macht es keinen Sinn sie krampfhaft im oberen Ende der Hand zu halten. Damit fügt man sich selbst nur unnötigen Schmerz zu.

Greife nun mit beiden Handinnenflächen zu deinem Körper zeigend die Stange. Die Griffweite ist so eng wie möglich. Die Arme sollten dabei jedoch während des gesamten Lifts NICHT die Beine berühren. Die optimale Griffweite ist der engste Griff, bei dem du deine Beine während der gesamten Bewegung nicht berührst. Dabei sollten deine Arme ungefähr senkrecht sein oder leicht die Hände leicht außerhalb der Schulterbreite liegen.

3. Schienbeine vor

Bring deine Schienbeine nun, ohne deine Hüfte zu bewegen, in Richtung der Stange. Die Stange berührt nun deine Schienbeine. Schiebe deine Knie ein wenig nach Außen, damit Knie und Füße parallel in die jeweils gleiche Richtung zeigen. Dabei bewegt sich die Stange nicht!

4. Stolze Brust, präsentiere deinen Hintern!

Berühren die Knie die Stange und sind die Knie positioniert, streckst du deine Brust stolz nach außen, soweit du kannst, OHNE deine Kopfposition zu verändern und OHNE deine Hüfte abzusenken! Die Muskulatur deines oberen Rückens sorgt für die richtige Position, die Schulterblätter musst du allerdings nicht zusammenziehen. Ein gutes Kommando hierfür ist die Brust rauszudrücken, als würde man stolz die Brust präsentieren und stramm stehen. Die passende Assoziation ist das in Achtung stehen eines Soldaten: Ein neutraler Rücken, Schultern sind gesenkt und zurückgezogen und die Brust wird dem kommandierenden Offizier entgegengestreckt mit Blick geradeaus. Eine ähnlich gute Assoziation gibt es für die Damenwelt: Präsentiere was du hast. Während wir uns in Stellung bringen, wird die Stange nicht (!) bewegt. Wir ziehen uns in Position, aber die Stange bleibt genau dort, wo sie ist. 

“Brust raus, Hintern raus” als Kommando bedeutet wir ziehen uns gegen die Stange mit der Brust geschwellt in Position. Den Hintern strecken wir soweit raus, wie wir können. Dadurch ist unser Rücken in der richtigen Position für den Zug, die Lendenwirbelsäule neutral und damit in der richtigen Zugposition. Einige sehr flexible Menschen, vor allem Frauen, können dabei unter Umständen ihre Lendenwirbelsäule überstrecken. Das ist zu vermeiden. Solltest du also deine Hüfte in der Startposition stark vorkippen können, so dass du in einem enormen Hohlkreuz stehst, drück deinen Hintern ein klein bisschen weniger raus. Warum das wichtig ist, dazu später mehr. Anbei ein paar Beispiele für korrekte Startpositionen:

Korrekte Startpositionen

Die folgenden Startpositionen sind die von uns auch im Training genutzten Startpositionen. Hier ist insbesondere interessant, welchen Effekt das Schuhwerk hat. Mit und ohne Gewichtheber Schuhe sehen unsere korrekten Startpositionen grundverschieden aus!

Wolf – Sumo Stand, mit und ohne Adidas Powerlift 2.0

Janosch – mit und ohne Adidas Power Perfect 2

Frank – konventionell mit und ohne Adidas Powerlift 2.0

5. Das Atmen und Ziehen 

Sind wir in der richtigen Position, geht es ans Ziehen. Die Stange sollte nun die Schienbeine berühren und etwas an die Schienbeine gezogen werden. Hier wird eines schnell klar: Kreuzheben führt man besser mit langer Kleidung oder Kniestrümpfen aus. Die Kombination von Kreuzheben und kurzer Kleidung endet entweder in beschissener Technik oder Abschürfungen am Schienbein. Es ist daher absolut zu empfehlen, längere Kleidung zu tragen oder lange Strümpfe. Ist die Stange am Schienbein, wird das Gewicht weg von den Zehen verlagert. Wir ziehen NICHT mit dem Körperschwerpunkt auf den Zehen. Das Gewicht wird über den gesamten Fuß verteilt. Such dir einen Punkt etwa 2m vor dir am Boden oder an der Wand, von maximal 1m Höhe und fixiere ihn. Dein Blick bleibt während der gesamten Bewegung auf diesen Punkt gerichtet. Du atmest nun tief ein, und atmest gegen geschlossenen Kehlkopf wieder aus, baust Druck auf. Nun ziehst du die Stange nach oben. Die Knie werden dabei zuerst bis in den Lockout gestreckt, danach bewältigst du den Rest des Wegs mit der Hüfte. Stell dir vor, du presst deine Beine in den Boden, damit die Hantel sich bewegt. Statt an der Hantel zu ziehen, schieb die Erde weg! In der obersten Position streckst du die Brust raus, als würdest du in Achtung stehen. Nicht die Schultern zu den Ohren ziehen, kein Überstrecken der Wirbelsäule ins Hohlkreuz, kein exzessives Nachhintenlehnen. NICHTS davon. Streck einfach nur die Brust raus, sodass du aufrecht stehst. 

Die Abwärtsbewegung sieht genauso aus wie die Aufwärtsbewegung. Zuerst bringst du die Stange durch eine Hüftbeugung tiefer, nachdem sie die Knie passiert haben, werden auch die Knie vorgeschoben und die Stange geht zu Boden. Der einzige Unterschied zwischen dem Aufheben und dem Absetzen der Stange ist die Geschwindigkeit. Die Stange wird viel schneller nach unten wollen, als sie nach oben gekommen ist. Und dort kommt sie auch hin. Die Stange wird vollständig am Boden abgesetzt und die gesamte Spannung aus dem Körper genommen. Jede Bewegung im Kreuzheben ist eine Einzelwiederholung. Und hier kommt nun ein Streitpunkt, den wir später noch genauer beleuchten: Diese Abwärtsbewegung kann so schnell sein, dass sie aussieht, als würde man die Stange fallen lassen. Und ab Kniehöhe macht es sogar Sinn, der Stange keine besonders großen Widerstände entgegenzusetzen, sondern sie einfach zu Boden gehen zu lassen. Einige Trainer werden nun sagen “So ein Quatsch, die negative Bewegung ist so wichtig” und “Aber Spannung ist wichtig, die darf man nicht verlieren!” Sie könnten damit gleichzeitig richtiger und falscher nicht liegen. Um das Kreuzheben zu verstehen, müssen wir seine Hebelmechanik verstehen und seinen Nutzen im Trainingskontext.

Negative Bewegung & Rücken

Zuerst einmal müssen wir etwas verstehen, bevor wir weitermachen: Die positive Bewegung im konventionellen Kreuzheben hat Nutzen, die Negative nicht. Bei den Varianten rumänisches Kreuzheben oder gestreckten Kreuzheben/Stiff Legged Deadlifts macht ein Halten der Spannung während der negativen Phase hingegen Sinn. Beim Konventionellen Heben nicht! Das Ganze ist begründet in der Flexibilität der Trainierenden und dem Sinn von Kreuzheben an sich. Einige Leser mögen sich wundern, warum ich bisher die Rückenposition kaum angesprochen habe. Meine Erfahrung und die vieler anderer Trainer ist es, dass dies nicht nur nicht nötig ist, sondern kein gutes Kommando ergibt. Die Rückenposition im Kreuzheben ist neutral. Die Hüftposition und damit die Position der Lendenwirbelsäule ist neutral, keine Extension oder Flexion der Hüfte. Für den Rücken bedeutet das, dass er weder bucklig noch im Hohlkreuz ist. Diese Position erreichen wir am ehesten, indem wir die richtige Startposition einnehmen und auf den OBEREN Rücken achten.

Die Mechanik des Kreuzhebens ist relativ simpel erklärt. Das Gewicht ist an einer Vorrichtung, den Armen befestigt. Dort zieht es an der Schulter, wo das Gewicht nun seine Kräfte am Torso umsetzt. Die Rückenmuskulatur widersteht dem Gewicht und spannt sich an. Die gesamte Torso Muskulatur muss dem Drang widerstehen, die Wirbelsäule zu krümmen, während die autochthone Rückenmuskulatur sich um die Wirbelsäule schlingt und ein massives Stabilisationspolster bildet. Es wirken hierbei enorme Scherkräfte. Krümmt sich der Rücken, werden die Muskeln nicht nur beansprucht, sondern gleichzeitig in die Dehnung gezogen. Diese Dehnung reduziert jedoch auch die Kraft, die die Muskulatur aufwenden kann. Der Angriffswinkel der Rückenstrecker wird schlechter. Rückenprobleme können durch falsches Kreuzheben ausgelöst und aufgrund der Stärkung des Rückens durch richtiges Kreuzheben aufgelöst werden. Ich kenne nicht wenige Personen, bei denen Kreuzheben als reguläre Übung gegen die Schmerzen und Einschränkungen von Bandscheibenvorfällen als Wundermittel gehandelt wird.  Eine der Personen ist nationaler Meister im Kraftdreikampf trotz Bandscheibenvorfällen.

Die richtige Rückenposition ist daher essentiell. Es ist wichtig, dass man mit einem Trainer, Trainingspartner oder Video arbeitet, damit man seine Rückenposition verstehen lernt. Da wir den Rücken nicht sehen, können wir wenig dagegen tun, dass er einknickt, wenn wir nicht wissen, wie er sich anfühlen muss. Während einige Trainer argumentieren, man solle seinen Hintern einfach in vollen Anschlag bringen, hat dies auch Nachteile. Nur wenige Männer sind flexibel genug, ihre Wirbelsäule unter Spannung in ein Hohlkreuz zu bringen. Unter Frauen kann dies allerdings fast die Hälfte aller Athleten, mit denen ich zu tun hatte. Während die Männer nun also mit einem überstreckten Hintern eine gute Position finden, überstrecken viele Frauen (und besonders flexible Männer) ihre Wirbelsäule und erreichen das genaue Gegenteil von dem, was geplant war. Verletzen tut man sich damit selten, das Gewicht zieht das Gelenk schnell wieder zurück in eine Neutralstellung. Aber die Möglichkeit, dass die Veränderung der Spannung auf der Muskulatur uns Leistung klaut, ist durchaus gegeben. 

Das Ganze gilt natürlich ebenso für die Abwärtsbewegung. Die wenigsten Trainees sind flexibel genug, die neutrale Lendenwirbelsäule während der gesamten Bewegung unter Spannung aufrecht zu erhalten. Es ist manchmal Aufwand genug, diese Position einem Athleten in der Aufwärtsbewegung einzutrainieren. Bei der Abwärtsbewegung jedoch arbeitet die Schwerkraft vollständig gegen uns. Die Kraftwandler, unsere Gelenke, leiten die Belastung weiter und können je nach Gelenkwinkelposition den Muskeln bessere oder schlechtere Angriffswinkel bieten. Je tiefer das Gewicht abgelassen wird, desto schlechter wird der Angriffswinkel für unsere Rückenmuskulatur und desto besser für die Muskulatur der Beinbeuger. Je tiefer wir gehen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Beinbeuger unsere Hüfte nach vorn ziehen und damit die neutrale Position stören. Ich kenne viele sehr bewegliche Trainees, die diese Position mit normalem, kontrolliertem Ablassen niemals halten könnten. Das Absetzen an sich besteht allerdings auch kaum aus einem Stretch oder eine besonders wichtigen Bewegung. Kreuzheben startet vom Boden, gegen totes Gewicht, daher ist es nicht wichtig, dass wir eine negative Bewegung haben, die unseren Start in die positive Bewegung vereinfacht. Dies ist anders als bei der Kniebeuge, wo wir die Kraft der Beinbeuger gerne für den Bottom Bounce nutzen.

Wir haben damit also eine Position, in der die Hantel unsere Hüfte vorzieht, die Angriffswinkel für die die primär an der Bewegung beteiligten Muskeln nicht mehr besonders gut sind und rauben uns damit Kraft und Energie. Die besten Kreuzheber, die es gibt, trainieren Jahre lang extra Defizit-Kreuzheben und Kreuzheben mit gestreckten Beinen, um diese Position zu optimieren und setzen daher oft das Gewicht kontrolliert ab. Sie können es, weil sie oft mehr als 10 Jahre in eine einzige Übung und ihre Varianten gesteckt haben. Ebenso kenne ich aber Profiheber, die zwar 250kg vom Boden heben, aber niemals eine kontrollierte negative Bewegung ausführen können. Deswegen ist es unabdingbar, dass wir das Gewicht ab den Knie kontrolliert zu Boden krachen lassen. Wer behauptet, diese Bewegung sei sehr wichtig, riskiert damit in 90% der Fälle, die mir untergekommen sind, eine Verletzung des Athleten und hat gleichzeitig die Mechanik der Übung nicht verstanden: Kreuzheben ist ein Deadlift, das Heben schweren Gewichts vom Boden ohne Vorinnervierung aus einem toten Punkt. Es ist genau das, was diese Übung so schwer und funktionell macht. Wer das nicht versteht, versteht das Kreuzheben nicht. Wer eine kontrollierte Bewegung sucht, sollte stattdessen rumänisches Kreuzheben und/oder gestrecktes Kreuzheben ausführen. Auf diese Weise kann der Athlet eine negative Phase nutzen, die genau dort endet, so seine persönliche Flexibilität endet. Eine stark kontrollierte negative Phase im konventionellen Kreuzheben ist Zeitverschwendung, bei vielen Athleten ein Verletzungsrisiko und oft eher Egosache. 

Kreuzheben – Detailanalyse und die kleinen Feinheiten

Die Hebetechnik, die hier im Buch gelehrt wird, funktioniert. Sie entspricht der optimalen Bewegung des menschlichen Körpers bei einer Last, die er vom Boden hebt. Dennoch ist sie anders, als das was viele andere Trainer beibringen werden. Folgende Kommentare sind klassisch unter Technikvideos von Trainern, die der Meinung sind, Kreuzheben verstanden zu haben, aber ganz im Gegenteil eher Mythen verbreiten. “Tiefer mit dem Hintern, ” “Bring mal die Schienbeine in eine gerade Linie hinter der Stange” und “Nicht so viel Gewicht, du kannst das ja gar nicht richtig absetzen, du musst die negative Bewegung mitnehmen.” Um zu verstehen, warum diese Dinge enorm falsch sind, schauen wir uns die Beteiligung einzelner Muskeln und Gelenke an.

Beim Kreuzheben arbeiten wie bei der Kniebeuge die Beinstrecker, Beinbeuger und Hüftmuskeln an der jeweiligen Streckung der Gelenke. Als Beispiele: Quadrizeps streckt das Knie, Gluteus Maximus streckt die Hüfte. Weniger klar ist die Involvierung der restlichen Muskulatur. Und ebenso wenig, wieso eine perfekte Startposition nicht mit “dem Hintern nach Unten” erreicht wird. Die Kraft, die wir auf die Hantel ausüben, wird aus den Füssen ins Knie, über das Knie zur Hüfte, von der Hüfte zu den Schultern, von dort über die Arme in die Stange gebracht. Dabei sind die Arme komplett ausgestreckt und gerade. Um es mit den Worten Mark Rippetoes zu sagen: Gebogene Ellbogen sind absolut das Letzte. Und ein großartiger Weg zu einer unnötigen Verletzung. Während der Bewegung bewegt sich die Stange bei einer guten Ausführung in nahezu einer geraden Linie. Da die Schulter in der besten Zugposition jedoch, seitlich gesehen, VOR der Stange steht, muss die Gruppe aus Latissimus Dorsi, Teres Major, Trizeps und Schulterblättern diesen Umstand ausgleichen und die Armstellung stabilisieren und einem nach vorne fallen der Stange entgegen wirken. Bringen wir die Schulter vor die Stange, hat der Latissimus ca. einen 90° Winkel und damit die optimale Zugposition um am Oberarmknochen zu ziehen. Und auf diese Weise stabilisiert sich eine ansonsten undenkbare Position in der die Arme einen 7-10° Winkel zum Körper hin bestreiten. Bringen wir einem Athleten hingegen fälschlicherweise bei, er solle seinen Hintern tiefer nehmen, die Schienbeine gerade und von der Stange weg sowie seine Schulter hinter die Stange zu bringen, dann wird Folgendes passieren: Sobald der Athlet mit einem wirklich fordernden Gewicht hantiert, hebt der Athlet beim Heben seinen Hintern in die richtige Startposition, bevor sich die Stange bewegt. Die Stange wird, sobald sie den Boden verlässt, eine Kurve einnehmen während sich der Hintern weiter hebt und dann sehen wir auf einmal eine charakteristische Position: Die Stange ist nach nicht mal einem Fünftel der Bewegung über dem Mittelfuß, direkt unter den Schulterblättern und die Schultern sind leicht vor der Stange. Wir sehen diese Position in jedem Video, das mit forderndem Gewicht einhergeht. Es ist die biomechanisch korrekte Position, um schwere Gegenstände vom Boden zu heben. Sobald die Stange signifikantes Gewicht trägt, WIRD der Athlet diese Position einnehmen. Aus diesem Grund machen wir den Firlefanz gar nicht erst, der mit heutigem Coaching oft einhergeht.

Stattdessen achten wir auf die korrekte Startposition:

– Stange über dem Mittelfuß

– Stange direkt unter den Schulterblättern

– Die Schultern leicht vor der Stange. 

Diese Cues gelten unabhängig davon, wie der Lifter beschaffen ist. Es mag passieren, dass zwei Athleten komplett verschiedene Torso Positionen haben. Bei einem Athleten mag der Torso fast parallel zum Boden stehen während bei einem anderen Athleten der Torso fast vertikal aufrecht steht. Entscheidend ist hierbei aber, dass die Stange über dem Mittelfuß liegt, unter den Schulterblättern positioniert ist und die Schultern leicht vor der Stange steht. Nutzen wir dann das Kommando “Brust raus/Schwellen” und bringen den Athleten in Position, ist die optimale Startposition automatisch gegeben. Charakteristisch für eine richtige Startposition sind ein nahezu gerader Stangenpfad während der Übung und das Fehlen jeglicher Ausweichbewegungen mit Hüfte oder Knien. Achten wir NICHT auf diese Positionen, ist der Effekt, dass wir fehlerhafte Positionen einnehmen, die uns Energie rauben und möglicherweise verletzen.