#Getaegert – Clean Eating Teil 2 – Cheatdays


Was das Essen angeht, bin ich kein Kind von Traurigkeit. Ich haue gerne rein. Und in meinen krassen Profi Zeiten konnte ich das sogar täglich tun und nahm noch dabei ab. Heutzutage gibt es aber eben die “Clean Essen” Fraktion aus dem letzten Artikel. Letztes Mal habe ich denke ich nett gezeigt, dass “clean” ein völlig absoluter Schwachsinn-begriff ist, der vor allem aus Unwissen und Essen als Religion stammt. Identifikation mit einem Lifestyle.

Aber da gibt es noch so ein bescheuertes Phänomen und es ist viel schlimmer und weist auf massive Probleme hin. Der Cheatday. Dabei hat dieser eigentlich intelligente Wurzeln im Vergleich zur heutigen Barbarei.  Lyle McDonald und die Jungs von Fitness Experts beschreiben in ihren Extremdiäten psychologische Muster, die einem beim Durchhalten helfen und den Körper trotz Mangel gesund halten. Es werden insgesamt drei Muster beschrieben: Freie Mahlzeiten, Refeeds und Diätpausen. Alle drei sind wissenschaftlich untersucht. Eine freie Mahlzeit ist eine Mahlzeit einmal die Woche, bei der man Diät Diät sein lässt und sich einfach aussucht, was man isst. Das ist kein Überfressen, sondern eine ganz normale Mahlzeit, die man sonst auch gerne mag. Du isst den ganzen Tag Pute, Fischöl und Proteinshakes? Dann haust du dir eben mal nen Teller Spaghetti Carbonara rein. Keinen Topf, sondern einen Teller. Ein Refeed wiederum ist ein anderes Instrument, das man besonders in heftigen Low Carb Diäten nutzt: Durch das konsumieren von der Menge Kohlenhydrate, die der Körper insgesamt speichern kann, trickst man den Körper ein wenig aus und reguliert einige Hormone, die sonst unter einer Diät leiden könnten. Meist sind Refeeds weniger spaßig als sie sich anhören, so kann es sich um 600g ungekochten Reis handeln, also ungefähr 1,5kg gekochten Reis. Das ist schon brutal, und auch Nudeln und Brot machen das nicht besser. Diätpausen, das dritte Mittel der Wahl, werden alle paar Wochen eingesetzt für 1-2 Wochen, um dem Körper Erholung zu bieten und sich nicht ganz so zu stressen. Man achtet auf Erhaltungskalorien und geht dann nach zwei Wochen in die nächste Phase. Alle drei Mechanismen haben Sinn, sie dienen der Psyche und der Physiologie.


Doch was ist ein Cheatday? Ein Cheatday ist das, was heutige Ernährungsgurus in ihren “cleanen” Diäten empfehlen und es ist totaler Hogwash. Es wird empfohlen, einmal die Woche zu “cheaten”; sich also selbst zu bescheißen. Denn das heißt cheaten: betrügen, verarschen, bescheißen. Und was macht man an so einem Cheatday? Die meisten ballern sich Snickers, Ben & Jerry’s Eis, dazu drei Pizzen, ne Lasagne und nochmal ne ordentliche Portion von McDonald’s rein. Die Bilder sind eindrucksvoll, ich war Leistungssportler und habe nicht soviel gegessen, wie einige an ihren Cheatdays. Aber das brauchte ich auch nicht, denn ich hab es drinbehalten und so einen Schwachsinn nicht mitgemacht.

Lasst mich durch, ich hab Cheatday!’


Der Cheatday ist dann die Konsequenz der Selbstkasteiung. Wer 6 Tage die Woche “clean” isst, soll einmal die Woche richtig reinhauen. Das völlig Beschränkte dabei ist, dass die Mengen, die dort konsumiert werden, bei weitem das übertreffen, was man so nebenbei an Junk und Süßigkeiten essen würde, wenn man sich sonst nicht ganz so kaputt macht. Der Cheatday ist eine Orgie des Fressens. Doch er ist auch enorm gefährlich. Denn es sind selten die 5000kcal verbrauchenden Muskelmonster, die solche Cheatdays posten, sondern 50-55 kg Mädels, die gerade in etwaigen Programmen sind oder diese verkaufen. Der Cheatday wird dann zelebriert, es werden blinkende Fotos vom Essen gezeigt, ganz im Sinne von “guck mal was ich essen darf.” Und dann wird der dicke Bauch gezeigt, wie viel Schrott man ja gegessen hat. Gehen wir davon aus übrigens, dass das, was auf den Fotos ist, wirklich gegessen wird, dann haben wir folgendes Problem: Der Rest der Woche muss absolut sinnfrei reduziert sein, damit der Cheatday einem nicht das Abnehmen versaut. Die Mengen, die dort an Junkfood gepostet werden, entsprechend oft Kalorienmengen, bei denen Furious Pete Respekt bekommt. Die Bäuche, die stolz präsentiert werden, zeugen von einem Schlingen und reinfressen. Und die “Erholung” dieser Bäuche erscheint immer wahnsinnig schnell zu funktionieren. So funktioniert Verdauung aber eigentlich nicht, besonders nicht in einer Diät.

‘Überfressen? Völlerei? Nein, das ist nur Schmerz, der den Körper verlässt, ich hab ja Cheatday.’


Kommen wir zum Punkt: Wir werden hier Zeugen einer kollektiven Online Esstörung, die vielen Menschen schadet. Und zwar gehörig. Entweder das Ganze wird NICHT gegessen, dann werden hier Menschen gehörig verscheissert und die, die es nachmachen versauen sich eine unnötig schwere Diät und quälen sich. Man will dazu gehören, also postet man den Cheatday. Oder man will das eigene Programm verkaufen. Sowas gibts natürlich auch. Für die Psyche reicht ein nicht so krasses Defizit und eine freie Mahlzeit und oft braucht es nichtmal einen Refeed.

Wird das Ganze aber gegessen, so hat es für einen Refeed die falsche Konsistenz. Es dient nur der Psyche (oder Verarsche der eigenen Follower). Das Verhalten, dass wir hier finden ist ein Abwechseln von extremer Selbstkasteiung und dann extremem Fressen. Und viele fressen, bis sie kotzen. Das sagt man dann nicht öffentlich, wer aber in 24 Stunden mehr als 1kg Carbs nach einer Low Carb Diät frisst und kein Wasser zieht und nicht mindestens 5kg mehr hat am nächsten Tag, der ist sein Essen wieder losgeworden. Das ist physiologische Realität. Kann man sich nicht mehr stoppen oder merkt man vielleicht gar nicht, was man sich da alles reinhaut, ist das ein besonderes emotionales Essen. Es wird ein nützlicher Vorgang für die eigene Psyche verwechselt mit totaler Völlerei und Kontrollverlust, was dann wiederum dafür sorgt, dass ein schlechtes Gewissen folgt.

Viele der Mädels, die öffentlich käuflichen oder zugänglichen Programmen folgen, beschweren sich über ein Ausbleiben der Regel, Kopfschmerzen und ein enormes Schwächegefühl. Männer reden über eingeschlafene Libido, Antriebsschwäche, Erektionsstörungen und beide Geschlechter fühlen sich “foggy” und unkonzentriert. Schauen wir uns mal an, was oft passiert:

  1. Wir sehen Personen, die keine Diät brauchen. 55kg Mädels, 68kg Kerle. Diese gehen auf kurzfristig angelegte Extremdiäten, die für ihre Körperbauten nicht geeignet sind
  2. Diese Personen wechseln von Selbstkasteiung an 6 Tagen zu absoluter Völlerei an einem Tag
  3. Die Leute beschäftigen sich sehr stark mit ihrem Essen, der Cheat Day wird oft sogar vorausgeplant und manchmal darüber fantasiert, dies dann Online zelebriert
  4. Viele Essen, bis sie kotzen müssen oder posten unglaubliche, nicht konsumierbare Mengen auf Facebook.

‘Nichts sagt “Cheatday” so laut wie ein frittiertes Snickers.’


Viele dieser Menschen leiden und ihr Körper leidet. Andere Menschen sehen dies und sorgen sich darum. Dies ist ein essentieller Punkt in der Diagnostik psychischer Störungen: Leiden von irgendjemandem in irgendeiner Form.

Fangen wir an: Punkt 1 beschreibt 1a Nervosa Athletica, ein Programm mit viel Sport und der ständigen Beschäftigung mit Training und essen. Ebenso beschreibt Punkt 1 Anorexia Nervosa, da es keiner Frau gut steht, von 55kg auf 47kg abzumagern. Das ist krankhaft und wird auch nicht als ästhetisch wahrgenommen. Punkt 2 und 4 beschreiben 1a eine Bulimia Nervosa, in der penibelst auf Mengen geachtet wird und damit direkt dann in den Cheatday gegangen wird. An dem sehen wir dann das “Binge Eating Syndrome.” Was dort gegessen wird, ist nahezu unmöglich für einen trainierenden Mann, aber es wird daher wohl auch entweder nicht gegessen oder knallhart wieder ausgekotzt, weil es ja “cheaten” war. Man postet es dann, um andere zu motivieren. Dass hier ein klinisch bedeutsam niedriger Selbstwert eine Rolle spielt, ist ebenso ersichtlich. Obwohl die Mengen rein faktisch nicht konsumierbar sind, ohne dabei extrem unter Schmerzen zu Leiden, werden Fotos vom angeblichen Cheatday gepostet. Ich kann essen. Viel essen. Ich kann mit Kampf 10.000kcal am Tag verspeisen und mich noch freuen. Aber das, was einige 50kg Mädels am Tag konsumiert haben wollen, ist einfach komplett unmöglich. Wir wissen, dass ihr uns was vormacht, aber fragt euch: warum? Nun, abseits vom Zugehörigkeitsgefühl zeugt Punkt 3 von einer krankhaften Beschäftigung mit Essen, gesundem und nicht gesundem Essen. Der Zwang clean zu essen und dann zu cheaten ist, neben einem guten Weg in eine Zwangsstörung, auch ein Anzeichen für Orthorexia Nervosa.

Was ist die Lösung? Die Lösung ist vor allen Dingen, den Leuten, die so etwas zelebrieren, keine Plattform mehr zu geben. Cheatdays mit solchen Mengen und Selbstkasteiung sechs Tage über ist krankhaftes Verhalten, vor allem auf lange Sicht. Es gibt extreme Diäten die schnell und noch gesund sind, aber keine dieser Diäten bringt dir bei, dich selber zu quälen um dir dann alles ins Maul zu stopfen, was dir vor die Füße kommt. Cheatdays, so wie sie zelebriert werden, sind nicht gesund. Sie sind eine klare Manifestation krankhaften Verhaltens. Hier geht es nicht um Schönheitsstandards. Hier geht es um Verhalten, das Menschen schadet.

Wenn du diesen Artikel bis hierher gelesen hast, bist du bereits weiter als 90% der Leute, die bereits in Gruppendenken sind. Man liest immer wieder von Neidern und Hatern und geht davon aus, dass Menschen wie ich auf den Erfolg anderer neidisch sind. Deswegen hier meine Motivation: Ich will Menschen helfen und damit ordentlich Kohle verdienen. Ich hasse niemanden, ganz im Gegenteil, viele andere Anbieter sind mir völlig egal. Was mir nicht egal ist, was mich tierisch aufregt, sind aber Menschen, die Geld verdienen und anderen Leuten damit schaden. Und das ist meine Motivation. Wenn du Kohle verdienst, dann nicht indem du anderen schadest, sondern ihnen hilfst. Da du bis hierher gelesen hast, bist du entweder jemand der eh mit mir auf einer Wellenlänge ist, oder jemand, für den Hoffnung besteht. Und dir möchte ich helfen. Wenn dich jemand auf diesen Artikel verlinkt hat, aufgrund deiner momentanen Diät oder weil derjenige das Programm kritisiert, mit dem du gerade abzunehmen versuchst, stell dir folgende Fragen:

  1. Folgt die Diät, die ich gerade mache, einem Auf und Ab und ermutigt mich, extreme Phasen von wenigen Kalorien mit einer Phase von unkontrolliertem Essen abzuwechseln?
  2. Ermutigen mich andere, die diesem Programm folgen, immer weiter zu machen und bilden wir sozusagen eine Gruppe “Wir gegen die Hater?”
  3. Beschäftige ich mich tagtäglich mit meinem Essen, fiebere ich dem Cheatday am Wochenende entgegen?
  4. Wo ist mein BMI und Körperfettanteil?
  5. Hat meine Diät Rücksicht darauf genommen, was für einen Körperfettanteil ich habe?
  6. Habe ich körperliche Symptome, wie Einschränkungen der Libido, Ausbleiben der Monatsblutungen, extreme Schlappheit, Konzentrationsstörungen, Vergesslichkeit?
  7. Habe ich schonmal etwas gepostet, was ich gar nicht gegessen habe, um Teil einer Gruppe zu sein?

Lass die Fragen auf dich wirken. Auch wenn manche Antworten dich etwas verschrecken mögen, ist das vielleicht gar nicht so schlimm. Vielleicht nimmst du einfach etwas Abstand von einigen Gruppen, die dich dazu anfeuern. Vielleicht sprichst du aber auch öffentlich mit Menschen darüber, was du erlebt hast.

In jedem Fall gilt eins: Cheatdays sind, wie sie in sozialen Netzwerken vorgelebt werden, in unkontrollierter Form physiologisch unnötig und eine Darstellung einer latenten, wenn nicht manifesten Essstörung. Wenn du das bemerkst, such dir Hilfe, es gibt Menschen, die sich damit auskennen. Diese verhelfen dir zu einer guten Figur und einem gesunden Verhältnis zum Essen. Nicht nur zu ein wenig Internet Fame.


Bildnachweise:

Sonya Thomas: By Nate “Igor” Smith from Brooklyn, NY, USA – http://www.drivenbyboredom.com (Nate “Igor” Smith) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Frittiertes Snickers: von Anders Porter [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Belgisches Kuchenbuffet: von Geolina163 (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons