Philosophie – Training statt Beschäftigungstherapie

‘Philosophie – Training statt Beschäftigungstherapie!

Disclaimer: Vor einiger Zeit hat Mark Rippetoe einen Rant “Exercise vs. Training” geschrieben, bei dem es darum ging, welche Trainingskultur wir haben. Auch Gym Jones haben sich mit der “Fitnesskultur” ausreichend beschäftigt. Mein Artikel geht in eine ähnliche Kerbe. Daher, wenn dir das hier bekannt vorkommt: Die anderen habens zuerst gesagt 😉

In Fitnessstudios in der ganzen Welt gibt es Kurse. Tanzen, hüpfen. Mit tollen Namen, wie “Heißes Körper pumpen” und co. Diese Kurse sind gut besucht und Trainer machen einen Reibach vor allem mit Gruppenkursen und der Massenabfertigung. Jedes Jahr auf der FIBO oder anderen Messen wird “etwas Neues” erwartet. Zumba beispielsweise, ist ja “irgendwie schon wieder out, das ist ja so 2013.” Genau so wurde dieser Satz von mir mehr als einmal gehört. Ich sage dann meist “Wenn es dir Spaß macht, mach es doch weiter. Wenn du gezielt Erfolge sehen willst, dann mach doch was anderes.” Und die Antwort ist fast immer die Gleiche. “Du solltest das mal mitmachen, weißt du wie ANSTRENGEND das ist?” Hier ist die Antwort für alle, die diese Frage jemals gestellt haben: Ja, weiß ich. Und es ist mir völlig egal.

Es gibt zwei Arten von Philosophie, mit der wir ans Training heran gehen können. Die hedonistische Trainingsweise, bei dir wir primär Spaß am Prozess haben wollen. Dazu gehören Kurse und Bespaßungspläne, bei denen wir keine Erfolge messen, die über “Boah, dieses Mal musste ich mich nicht zwischendrin hinsetzen” hinausgehen. Hier geht es um die Erfahrung des Trainings, weniger gezielt messbare Resultate. Nehmen wir Zumba (Bitte nicht für die Wahrheit verklagen): Die Teilnehmer nehmen an einem Gruppentraining teil. Das Gruppentraining wird zu rhythmischer Latinmusik durchgeführt. Die Teilnehmer haben dabei Spaß, eine durchaus beachtliche Belastung des Herz-Kreislauf-Systems und fühlen sich dabei wie in einer Trance. Am nächsten Tag gibt es Muskelkater und irgendwann tritt der nicht mehr auf. Danach gibt es nur noch Trance tanzen und rhythmisches Tanzen. Aber ist das Training? Nein.

Denn die zweite Denkweise, mit der wir ans Training herangehen können, ist die pragmatische Denkweise. Bei dieser Denkweise gehen wir nicht spaßorientiert am Prozess vor, sondern schauen uns die Bedürfnisse des Sportlers an, messen seine Erfolge und tun das, was für seine Ziele am Nützlichsten ist. Die klassischen Kurse und Tanzworkouts dienen vor allem der Bespaßung, pragmatisch sind sie also nur dann, wenn derjenige sonst nicht ins Training gehen würde. Pragmatismus bedeutet, wir machen das, was am sinnvollsten ist. Wir messen, wir überprüfen und wir arbeiten auf ein Ziel hin. Entgegen der langläufigen Meinung schließt das Spaß und Motivation nicht aus. Ganz im Gegenteil. Während die klassischen Kurse absolute Durchlauferhitzer sind, hat Krafttraining und Training mit Zielen meist eine motivierende Komponente durch sichtbare und messbare Erfolge. Wenn nach 2-3 Monaten die Zahl nach oben geht, zeigt das Kompetenz, der Sportler ist motiviert, mehr zu erreichen.

” Training hat Ziele, deren Erreichung man kontrolliert. Man arbeitet auf etwas hin. Beschäftigungssport sucht rein den Spass. Training kann Spass machen, in erster Linie erreicht es aber Ziele.”

Und das ist der Unterschied zwischen Beschäftigungstherapie und Training. Eine Vielzahl von Trainees und Trainern machen Beschäftigungstherapie. Dort wird Unterhaltung praktiziert, dort wird der Sportler für eine Zeit in einem Raum oder auf einem Gerät geparkt, um mit einem guten Gewissen wieder nach Hause zu gehen. Da viele Personen richtig schön dekonditioniert sind, gibt das Anfangs auch richtige Erfolge. Newbie Gainz eben. Viele Trainer könnten ein weitergehendes Training, das einen wirklich athletischen Sportler aus einer Person macht, im Leben nicht planen. Und solange sie nur Kurse und Bespaßung machen, müssen sie das auch nicht. Aber Training ist etwas anderes. Training ist zielorientiert, kundenorientiert und lösungsorientiert. Wir arbeiten an Zielen, die unser Kunde hat. Wir erreichen diese, indem wir gezielt intelligente Lösungen durch deren Anwendung wir diese Ziele erreichen, einsetzen . Das bedeutet Krafttraining, gezieltes Ausdauertraining, Leistungsmessungen/Überprüfungen und eben um die Probleme und den Alltag des Kunden drum rum zu planen. Training bedeutet Planung. Kurse planen seltenst für einen Kunden weiter als den Tageskurs. Trainer müssen das. 2-3 Monate für Anfänger, 3-4 Monate für Intermediates und später noch viel, viel mehr.

Ein Training muss geplant werden, und ein Plan beinhaltet: Zielsetzungen, Übungsauswahl, Periodisierung/Belastungssteuerung, Abfolgen/Sequenzen von Trainingseinheiten und Progressionsschemata/-signale. Wir müssen wissen, wo wir hin wollen. Wir müssen die richtigen Übungen für das Training planen, wir müssen die Belastung in diesen Übungen steuern um eine Be- aber nicht Überlastung zu erreichen. Wir müssen Trainingseinheiten in der richtigen Reihenfolge planen, damit sie sich nicht im Weg stehen. Und wir müssen wissen, wann unser Sportler mehr Gewicht oder eine höhere Wattzahl braucht,  mehr Sätze oder Intervalle absolviert und wie die geplante Verbesserung seiner Leistungen aussehen soll. Und da kommen wir zum Knackpunkt: Nicht nur Kurse sind Beschäftigungstherapie. Viele sogenannte “Trainingspläne” sind es auch. Denn ein Trainingsplan besteht meist nur aus Übungen, Satzzahlen und Wiederholungen. Das ist nicht nur nicht ausreichend, das ist totale Beschäftigungstherapie. Ohne Progressionssignale wird der Athlet nur verarscht. Das ist Zeitverschwendung und gute Trainer wissen das.

Die Realität ist, dass wir in dieser Branche vor allem mit Unwissenden zu tun haben. Wenn ich in eine Werkstatt gehe und mir der KFZ Mechaniker etwas von einem super neuen Tetrahydrocarboxylator erzählen würde, hätte ich keine Ahnung wovon er redet. Und genau so geht es vielen Kunden. Die meisten Kunden wissen gar nicht so genau, was sie wollen. Der Weg, den Kunden zu bespaßen, ist sicherlich legitim. Es basiert ein gesamtes Business darauf. Aber der Kunde weiß es ja nicht. Kunden, die gezielt bespaßt werden wollen, suchen sich meist direkt einen Kurs aus. Beispielsweise einen Zumba Kurs. Denn das macht eben währenddessen Spaß und fühlt sich auch hart an. Kunden, die einen Trainer aufsuchen, wollen das nur seltenst. Sie wollen meist, dass sie Ziele erreichen. Sie wollen aufbauen, abnehmen, stärker werden. Manche kommen aus der Reha und wollen wieder Laufen. Andere sind Athleten, die gezielt ihren Sport verbessern wollen. Muskeln aufbauen, abnehmen, stärker werden. Das sind alles Ziele, pragmatische Ziele. Und so sollten sie behandelt werden.

Jeder der zielorientiert trainieren will, sollte das auch können. Die Frage ist, wollen wir bespaßt werden oder wollen wir trainieren? Trainieren ist zielorientiert, es ist mittel- bis langfristig geplant und es basiert auf der Idee von Erfolgen an erster Stelle. Bei Bespaßung können wir machen, was wir wollen. Aber beim Training schulden wir es uns und unseren Kunden, dass wir die besten uns zur Verfügung stehenden Methoden anwenden, um unseren Kunden so schnell und sicher wie möglich dorthin zu bringen.

” Eine Vielzahl von Trainees und Trainern betreiben Beschäftigungstherapie. Hauptsache irgendwas gemacht.”

Eine Trainingsphilosophie für Athleten

Wenn du trainieren willst, dann folgen wir einer Philosophie, die Training ermöglicht. Meine Philosophie ähnelt der von Gym Jones, ich bin schon seit Jahren von der Arbeit von Mark Twight und seinen Leuten inspiriert:

1. Alles ist deinem Geist untergeordnet. 

Kein Programm, kein Training und  kein Trainer können deine geistige Stärke ersetzen. Diese wiederum lässt sich entwickeln. Es ist der Nummer 1 Knackpunkt, dein Training so zu gestalten, dass dein Geist nicht im Weg steht. Das Training muss so designt sein, dass es deinem Geist hilft, stärker zu werden. Ein Training, dass du nicht durchführst oder aber dich nicht in deinen mentalen Kapazitäten fordert, ist nutzlos. Ein Training, dessen einziges Ziel Schmerzen und Entbehrung sind sind um deinen “Geist zu stärken” ist ebenso nutzlos, denn:

2. Training ist evidenz und resultatsbasiert

Es geht darum, bestimmte Resultate zu erzielen und die Methoden des Trainings orientieren sich daran. Alles was wir tun, folgt einem Zweck, einer Denkweise und einem kritischen Abwägen, was nützlich für uns ist. Auch wenn das heißt, dass du durch den Schlamm robben sollst. Übungen “zum Spass” sind legitim, solange alle anderen Ziele erreicht werden. 

3. Funktionelles Training

Insofern unser Ziel nicht reines Bodybuildg ist, nutzen wir die Methoden für den Job, die den höchsten Grad an Transferleistungen haben. Eine Übung ist ein Werkzeug und wir nutzen Übungen so, dass sie zur Zielerreichung beitragen. Jede Übung hat ein Ziel, einen Zweck, eine Aufgabe.

4. Bewegungen statt Muskeln

Indem wir uns auf Bewegungen und primäre Bewegungsmuster konzentrieren, decken wir den grössten Teil der Muskulatur ab, ohne uns auf spezifische kleine Muskeln zu konzentrieren

Auf diese konzentrieren wir uns nur dann, wenn es der Reduktion einer Dysbalance dient, die wir nicht durch die vorherige Korrektur des Bewegungsmuster erreichen konnten

“Beschäftigungstherapie vertreibt dir die Zeit mit einem positiven Nebeneffekt. Training bringt dich an dir bisher unbekannte Höhen.”

5. Relative Kraft und Leistung ist entscheidend

Ausgehend von deinem Ziel musst du das Gewicht, dass du zulegst, tragen. Du musst den Motor deiner Leistungen während deines Wettkampfes auch tragen können. Sonst steht dir dein eigener Körper im Weg.

6. Alle Energiesysteme werden trainiert – Conditioning ist nicht optional

Powerlifter brauchen vor allem das phosphogene System, Marathonläufer das aerobe System. Wir fokussieren uns auf das Wichtigste, trainieren aber alle Systeme. Schwachstellen in der Kondition zeigen sich irgendwann im Training durch Plateaus, Verletzungen oder Übertraining. Fuck that.

7. Training bereitet dich auf etwas vor.

Dieser Umstand ist entscheidend. WIr trainieren mit einem Ziel, einer Zeit im Kopf. Oder mit einem Bild, das wir vermeiden. Wir diskriminieren keine negativen oder positiven Ziele, keine extrinsischen oder intrinsischen Motivationen. Aber niemals trainieren wir “einfach so” sondern immer mit einem Bild, warum wir das tun und worauf wir uns vorbereiten oder was wir vermeiden wollen.

8. Erholung ist ein primärer Schlüssel zum Erfolg.

Das bedeutet, wenn du nicht bereit bist, ein wenig an deinen Schlafgewohnheiten zu arbeiten, oder einen Teil deiner Zeit so zu blocken, dass du dich erholen kannst, wirst du vermutlich scheitern. Schlaf und Erholung sind ein Schlüssel zu Gesundheit und Trainingserfolg, für jeden. Und möglich für jeden. Es gibt IMMER einen Weg, selbst in der verrücktesten Situation. Wenn Soldaten im Dauergefecht eine Möglichkeit finden, sich im Team mit Powernaps abzuwechseln und unter Beschuss schlafen können, kannst du das in deiner Situation auch.

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